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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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Mönchs hatte die Menschen sichtlich gerührt. Seine Wacht hoch oben auf dem Berg schien ihre eigene Isolation zu symbolisieren, und das auf seinen Tod folgende Schweigen war für sie der Beweis dafür, dass die Kirche das nicht kümmerte. Die Kirche hatte ihr Mitgefühl verloren.
    Vielleicht verändert sich ja doch etwas , dachte Kathryn, als sie endlich das Papier aus dem Drucker zog und sich erneut das Bild von Liv Adamsen aus der Polizeiakte ansah.
    Vielleicht erfüllt die Prophezeiung sich ja doch.
    Sie schaltete den Fernseher aus und schnappte sich auf dem Weg hinaus ein paar Äpfel. Der Flughafen lag zwar nur dreißig Minuten Fahrt entfernt; aber Kathryn hatte keine Ahnung, wie lange sie würde warten müssen.

K APITEL 44
    Eine schwere Tür öffnete sich mit lautem Knarren. Cornelius trat hindurch und griff nach der brennenden Fackel, die für ihn zurückgelassen worden war. Er hielt sie vor sich und stieg in die vergessenen Tiefen der Zitadelle hinab. Bruder Johann ging neben ihm; sein dunkler Teint strafte seine skandinavische Abstammung Lügen, doch seine Augen waren so blau wie das Eis seiner Heimat. Bruder Rodriguez wiederum bildete die Nachhut. Er überragte die anderen um fast einen halben Kopf, und seine goldenen Latinoaugen schweiften wachsam durch den Tunnel.
    Das Knirschen ihrer Schritte und das Knistern der Fackel hallten um sie herum, während die Geschichte des Bergs sie willkommen hieß. Hier und da klafften Öffnungen in den Seitenwänden wie in Trauer erstarrte Mäuler. Und jenseits dieser Öffnungen erhaschten die drei Männer Blicke auf die Leben derer, die hier einst gelebt hatten: Betten mit verfaulten Strohsäcken und gesplitterte Bänke, die kaum noch das Gewicht der Geister trugen, die nun auf ihnen saßen. Von Zeit zu Zeit lagen Gesteinstrümmer und abgeplatzter Putz auf dem Boden, der im Fackellicht geisterhaft schimmerte.
    Zehn Minuten später sahen die drei ein schwaches, orangefarbenes Licht vor sich. Es flackerte unter einer Tür hindurch, die offenbar angelegt worden war, als die Menschen noch deutlich kleiner gewesen waren als heute. Als sie näher kamen, rochen die drei Carmina brennendes Holz, und sie spürten, wie die Kälte allmählich Wärme wich. Sie öffneten die Tür. Auf der anderen Seite der Kammer kauerte eine Gestalt an einem altmodischen Kamin und stocherte im Feuer.
    »Seid gegrüßt, Brüder«, sagte der Abt wie ein Wirt, der mitten in einem Sturm müde Reisende willkommen hieß. »Bitte, entschuldigt. Das ist ein armseliges Feuer. Ich fürchte, ich bin nicht mehr so versiert in der Kunst des Feuermachens. Bitte ...« Er deutete auf einen Tisch mit einem Laib Brot und ein paar Früchten. »Setzt euch. Esst.«
    Der Abt gesellte sich zu ihnen an den Tisch und schaute zu, wie sie schweigend das Brot brachen; er selbst aß nichts. Während die Carmina aßen, musterte sie der Abt und gab den Gesichtern Namen, die er zuletzt in den Akten gesehen hatte. Der Große war Guillermo Rodriguez, zweiundzwanzig Jahre alt, ursprünglich aus der Bronx, ehemaliger Straßengangster und Gangmitglied. Zweimal hatte er wegen Brandstiftung vor Gericht gestanden und war verurteilt worden. Er hatte sein halbes Leben mit einer drogensüchtigen Mutter verbracht und den Rest in Jugendgefängnissen. Nachdem er durch AIDS zum Waisen geworden war, hatte er zu Gott gefunden.
    Ihm gegenüber saß Johann Larsson, vierundzwanzig, dunkelhaarig, blaue Augen und ungewöhnlich gut aussehend. Larsson war in den Wäldern Nordschwedens geboren worden, in einer sektiererischen Kommune. Eines Tages fand die Polizei den schlafenden Johann neben der Leiche seines Bruders. Ein Lkw-Fahrer, der einen Wolf mit einem menschlichen Bein im Maul auf der Straße gesehen hatte, hatte die Beamten gerufen. Die Sekte hatte einen Selbstmordpakt geschlossen. Johann berichtete den Beamten, sein Vater habe ihm ein paar Pillen gegeben, ›um ihm Gott zu zeigen‹, aber er war wütend gewesen, weil sein Vater ihn früher am Tag angebrüllt hatte; also hatte er die Pillen weggeworfen. In der Folge wurde Johann von einer Pflegefamilie an die nächste weitergereicht, doch keiner gelang es, zu dem gestörten, schönen Jungen durchzudringen. Sein Absturz schien vorprogrammiert. Dann hatte die Kirche ihn aufgenommen, ihn in eine ihrer Rehabilitationseinrichtungen nach Amerika geschickt und ihm Hoffnung gegeben.
    Dann war da noch Cornelius Webster, vierunddreißig. Webster war in einem Waisenhaus aufgewachsen und später direkt in

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