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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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nur Kleinigkeiten wie die ›nachdrückliche‹ Übermittlung einer Botschaft. So etwas wie heute Nacht hatte er jedoch noch nie gemacht. Keine Entführungen. Nichts, wozu man eine Waffe gebraucht hätte. Aber die Bezahlung war einfach zu gut gewesen. Wer konnte da schon Nein sagen? Trotzdem, sobald der Arzt fertig war, würde er von hier verschwinden, auch ohne Geld. Für so etwas wollte er nicht den Kopf hinhalten. Kutlar hörte das Telefon klingeln und wünschte sich, er hätte ihnen nichts von der Klinik gesagt. Nicht dass er eine Wahl gehabt hätte. Der ältere Kerl hatte spezifisch danach gefragt, wo sie hingehen sollten, sollte es Verluste geben. Genau das Wort hatte er benutzt: Verluste . An dem Punkt hätten Kutlar und Serko einfach gehen sollen. Jetzt war es zu spät dafür – zumindest für Serko.
    »Ich gebe Ihnen ein paar Antibiotika gegen das Fieber«, sagte der fette Mann. »Die wirken auch prophylaktisch gegen Infektionen.«
    Kutlar nickte erneut. Er spürte, wie ihm der Schweiß über Stirn und Nacken lief. Gerüchten zufolge war der gute Herr Doktor früher einmal ein echter Arzt gewesen, bevor seine unglückliche Liebe zum Morphium ihn in den Abgrund getrieben hatte. »Sie müssen sich jetzt irgendwo ausruhen«, riet der Arzt. »Gehen Sie es ruhig an, bis alles verheilt ist.«
    »Und wie lange soll das dauern?«, krächzte Kutlar. Sein Mund war ausgetrocknet und die Zunge geschwollen vom Novocain oder was auch immer der Kerl ihm in die Adern gejagt hatte.
    Der Arzt schaute noch einmal auf das tiefe Loch im Fleisch und untersuchte es wie eine seltene Orchidee. »Einen Monat vielleicht«, antwortete er. »Mindestens aber ein paar Wochen, bis Sie wieder richtig laufen können.«
    Eine Stimme von der Tür her erschreckte sie beide.
    »Er muss wieder laufen können, wenn wir gehen.«
    Cornelius betrat den Raum. Die kahlen, wächsernen Stellen in seinem Gesicht glänzten im Licht der OP-Lampen. Johann folgte ihm. Ihre roten Windjacken waren nass vom Regen. Sie sahen aus, als hätte man sie in Blut getaucht.
    »Okay«, sagte der fette Mann. Er wusste, dass man mit seinen Kunden besser nicht diskutierte. »Ich werde die Wunde gut verbinden und ihm noch ein paar starke Schmerzmittel geben.«
    Cornelius blieb am OP-Tisch stehen und beugte sich vor, um die Wunde mit Kennerblick zu betrachten, bevor der Arzt sie verband. Dann zwinkerte er Kutlar zu, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Kutlar spürte, wie sich irgendwo in seinem kalten, tauben Bein etwas bewegte. Sein Bekannter hatte recht gehabt. Der Arzt war wirklich großzügig mit Medikamenten, aber die Mauer aus Schmerzmitteln bröckelte zusehends, und eine Armee von Schmerz drang in ihn ein.
    Der Arzt schloss den Verband und griff nach einer Spritze. »Ich werde Ihnen jetzt ein wenig Morphium spritzen, und dann gebe ich Ihnen noch ein paar Tabletten mit.«
    Plötzlich schoss ein roter Blitz durch den Raum. Johann packte den Arzt und drückte ihm die Hand auf den Mund. Der fette Kerl riss die blutunterlaufenen Augen auf, und Schnodder strömte ihm aus der Nase, als er zu hyperventilieren begann. Cornelius nahm ihm die Spritze aus den Wurstfingern und stieß sie ihm durch den Kittel in den Arm. Der Ausdruck der weit aufgerissenen Augen des Arztes wechselte von Panik zu Resignation, als das Opiat in sein Blut strömte. Johann zog ihn zu einem Stuhl und ließ ihn darauf fallen, während Cornelius die Spritze wieder füllte. Dann drückte er dem fetten Sack auch die zweite Dosis in den Leib.
    »Tabula rasa«, flüsterte er und blickte zu Kutlar. »Keine Zeugen.«
    Er zog dem Arzt die Spritze aus dem Arm und trat zu Kutlar.
    Kutlar wäre gelaufen, hätte sein Bein das mitgemacht, doch er wusste, wie sinnlos das war. Er würde es noch nicht einmal aus dem Raum schaffen. Kutlar dachte an Serko und wie er tot auf der nassen Straße gelegen hatte. Er hoffte nur, dass diese erbarmungslosen Bastarde, wer auch immer sie sein mochten, auch den Kerl erwischen würden, der Serko getötet hatte. Er sah, wie die Spritze immer näher kam, die Nadel noch immer rot vom Blut des Arztes.
    Ich hoffe doch, er tauscht wenigstens die Nadel aus , dachte Kutlar, bis ihm klar wurde, dass das egal war.
    »Wir müssen hier weg«, sagte Cornelius. Er zog ein Papiertuch aus einer Schachtel auf dem Tisch und wischte die Spritze damit ab. »Bist du so weit?«
    Kutlar nickte und atmete wieder. Cornelius steckte die Spritze in die Jackentasche, packte Kutlar dann unter der Schulter

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