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Sand & Blut

Sand & Blut

Titel: Sand & Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Xander Morus , Isabell Schmitt-Egner
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ich nicht , dachte Meike. Sie lenkte den Mauszeiger auf »löschen« und verharrte über der Schaltfläche. Wieder rief ihre Mutter und bekam genervte Antworten aus den anderen Räumen. Ihre kleine Schwester telefonierte mit ihrem Freund.
    Meike verschob die Nachricht nach »Entwürfe«. Dann stand sie auf und ging nach unten. Im Flur hielt sich niemand auf und sie erlaubte sich ein kurzes Lächeln, das niemand sah, bevor sie die Küche betrat.
     
    ENDE
     

Xander Morus
    Rattennest
     

 
     
    1. Die ganze Welt ist ein Klagehaus
    S eit sie das Ding heute Morgen gefunden haben, sprechen sie im Radio über nichts anderes mehr. Mir ist verdammt schlecht deswegen. Ein paar Kinder sind darüber gestolpert und haben es aus dem matschigen Uferbereich gezogen. Frag mich, was die blöden Gören da gemacht haben? Die ganze Sache ist so faszinierend, sagen sie, dass das Naturkundemuseum aus Thüringen, wo es bisher den größten gibt, einen Experten schicken will, um es zu vermessen.
    Im Internet ist noch nichts. Ist alles nur eine Lokalgeschichte und wahrscheinlich ist sie Bamberg auch ein bisschen peinlich. Aber ich weiß ja, wie das Ding aussieht. Deshalb brauche ich keine Bilder und was sie sonst noch so sagen, will ich gar nicht hören. Jetzt ist es schon spät und dunkel. Ich frage mich, wann sie kommen, um mich zu holen und ob ich viel lügen muss.
    Angefangen hat alles mit dieser verfluchten Dissertation. Ich bekam sie einfach nicht in den Griff. Und leider war es an der Zeit, dass ich damit vorankam, sonst konnte ich mir meine akademische Karriere bald nur noch morgens vorstellen, wenn ich mich als Nachtportier in den Schlaf weinte.
    Und das mit einem erfolgreichen Studium der Germanistik und Philosophie. Vier Jahre, dann ein sehr guter Magister. Ich ziehe (leider) von Berlin, wo ich an der Humboldt-Uni studiert habe, nach Bamberg und nehme eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent an. Ich unterrichte zwei Jahre Proseminare zur Literatur der Frühen Neuzeit und genieße das Leben in dem kleinen Städtchen.
    Die Universität ist viel kleiner als in Berlin, aber im Prinzip läuft es überall gleich. Wenn man kein kompletter Vollidiot ist, und das sind viele Studenten, ist eine durchschnittliche Karriere an einer durchschnittlichen deutschen Universität durchaus im Bereich des Möglichen. Tatsächlich wird sogar händeringend nach akademischem Nachwuchs gesucht. Ich hatte mich im Gegensatz zu den meisten meiner Kommilitonen wirklich für Literatur interessiert und damit schnell das Interesse einiger Dozenten geweckt. Sie müssen so frustriert von den maulfaulen Studenten gewesen sein, dass sie jeden förderten, der den Mund nicht nur zum Gähnen oder Husten aufmachte.
    Und ich hatte es verdient, denn damals war meine Begeisterung noch nicht gespielt und die Hoffnung gab mir genug Antrieb, eine Karriere als Literaturwissenschaftler anzustreben.
    Ich hatte tatsächlich eine gewisse Faszination für die großen Texte deutscher Dichter und Denker entwickelt und vergrub mich tief in den poetologischen Auseinandersetzungen Lessings und Schillers. Ist einmal der zündende Funke übergesprungen, kann einem niemand mehr die Freude an der Literatur nehmen. Ich sollte noch herausfinden, dass das selbst in den furchtbarsten Momenten zutrifft.
    Große Begeisterung entfachte bei mir aber Grimmelshausen, der sprachmächtige und zugleich wüste Autor und Chronologe des dreißigjährigen Krieges. Sein schelmischer Simplicissimus und die abenteuerliche Courasche haben mir erst gezeigt, was Literatur wirklich sein kann. Große Literatur lügt nicht. Das hatte ich gelernt und mit dieser schlichten Erkenntnis konnte ich ganze Seminare aufmischen. Allerdings war das auch keine große Herausforderung. Meine Kommilitonen hatten von Literatur keinen blassen Schimmer.
    Sie konnten Goethe nicht von Schiller unterscheiden und wussten nicht, ob die Romantik oder der Biedermeier zuerst kam. Selbst Literaturpreise und Skandale im Feuilleton rauschten völlig unbemerkt an ihnen vorbei. Die meisten waren Lehramtsstudenten. Ich habe selten faulere und desinteressiertere Menschen kennengelernt. Und das sage ich nicht von oben herab, denn meine eigenen Kenntnisse beschränkten sich im Wesentlichen auf ein paar populärwissenschaftliche Literaturgeschichten. Aber selbst diese Standardwerke sagten den meisten meiner Kommilitonen nichts. Wenn Sie mal jemand kennenlernen wollen, der nicht liest, dann empfehle ich Ihnen einen Germanistikstudenten.
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