Sandkasten-Groupie
nachdachte, welche Art von Tränen es waren, wusste sie, dass es keine aus Wut waren.
Entschlossen wischte sie über ihre Wangen und startete den Motor. Sie legte den Rückwärtsgang ein, schlängelte sich an den parkenden Autos vorbei und mied jeden weiteren Blick in Nics Richtung.
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Als sie einige Zeit ziellos in der Stadt umhergefahren war, hielt sie schließlich vor ihrer alten Schule. Sie blickte auf das alte Gebäude und ließ viele Erinnerungen durch ihren Geist ziehen. Sie sah ihre eigene Schulzeit, wie sie mit ihren Freundinnen über den Schulhof stolziert war. Sie hatte immer viele Freunde gehabt. Sie war Vertrauensschülerin gewesen und hatte nie Probleme in der Schule gehabt. Ganz im Gegensatz zu Nic. Er war der seltsame Freak gewesen, der lieber Musik machte, als Mathe zu büffeln oder mit Mädchen auszugehen. Er spielte kein Football und hatte schlimme Akne gehabt. Und doch war er ihr allerbester Freund. Dadurch, dass Mia ihn akzeptierte und immer mit ihm rumhing, fasste er auch etwas Fuß und bekam Freunde. Nicht zuletzt bildete sich in seinem letzten Jahr die Swores, zumindest ein Teil davon. Sie sah Nic mit einer dicken Wollmütze, seiner Gitarre und abgewetzten Jeans, die damals so gar nicht IN gewesen waren, auf dem Dach der Sporthalle hocken. Während er vor der Schule wartete, um gemeinsam mit ihr auf seinem Fahrrad nach Hause zu fahren. Es war damals so viel einfacher gewesen. Wann war es denn auf einmal so kompliziert geworden? Kurz bevor er berühmt wurde hatte sie gespürt, dass sie in ihn verliebt war. Es war etwa ein Jahr vor dem Tod ihres Vaters gewesen. Doch durch die Berühmtheit der Swores war alles in diese Endlosschleife geraten. Beide Hände legte sie auf das Lenkrad und stützte ihren Kopf darauf, während im Radio ‚Chasing Cars‘ von den Snow Patrols lief.
‚ Alles was ich bin,
alles was ich jemals war
ist hier in deinen perfekten Augen,
sie sind alles was ich sehen kann...
Ich weiß nicht wo,
bin auch verwirrt über das \"Wie\",
Ich weiß nur dass sich für uns nie etwas ändern wird...‘
Irgendwie war das nicht besonders aufmunternd… Mia seufzte und krampfte die Hände zusammen. Was hatte sie Nic nur alles gesagt? Die junge Frau spürte wie ihr Puls in ihrer Panik zu rasen begann. Heiße Scham überfiel sie und pure Angst. Sie hatte zu viel preisgegeben, was tief in ihr vergraben war. Es würde alles ändern… alles würde sich zwischen ihnen verändern. Ihre Freundschaft… sie war dahin. Eine Weile konzentrierte sie sich auf ihre Atmung und so beruhigte sie sich. Schließlich stieg sie aus dem Wagen aus und ließ die kühle Luft in ihre Lungen fließen. Nein! Nein, sie hatte nicht zu viel preisgegeben. Zwischen Nic und ihr war es längst nicht mehr so wie früher. Sie waren nicht einfach nur befreundet. Sie konnten nicht mal mehr 24 Stunden Zeit zusammen verbringen ohne einen riesen Krach vom Zaun zu brechen. Es hatte sich einfach so viel Ungesagtes angestaut, dass es einfach Zeit war. Dieses Gefühl, was nun an die Oberfläche kam, beunruhigte sie. Er war Nic… er war ihr Nic, ihr bester Freund. Ihr sicherer Hafen. Ihr Ruhepol. Aber nichts destotrotz war es nun wichtig für sie weiterzumachen.
Da stand sie nun, vor den alten Mauern ihrer Schule und kam endlich zu der einzig richtigen Erkenntnis. Sie war in ihren besten Freund verliebt, vielleicht schon immer, vielleicht erst seit ein paar Jahren. Das war auch völlig egal. Sie würde Nic ziehen lassen müssen. Ein Stich meldete sich in ihrem Magen. Es war Zeit fortzufahren. Sie hatte die letzten Jahre im Standby Modus verharrt, um da zu sein wenn Nic zurückkehrte. Sie hatte darauf gehofft, dass alles schon werden würde – von selbst. Doch das war nie geschehen. Deswegen hatte sie selbst beinahe nicht richtig gelebt. Es wurde nun Zeit, dass sie sich selbst so viel wert war, dass sie ein Leben führen konnte. Dass sie das bekam, was sie sich wünschte. Der Tod ihres Dad war doch der Beweis, dass man manchmal nicht so unendlich viel Zeit hatte. Sie musste endlich an sich selbst denken. Sie musste sich für sich selbst entscheiden, nicht für Nic, oder Chris oder sonst wen, sondern nur für sich selbst. Mia wischte über ihre Wangen – Tränen waren ok. Sie fühlte sich besser. Irgendwie war es gut zu wissen, was man tun wollte. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie stieg wieder in ihren Wagen, um endlich nach Hause zu fahren.
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