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Sandkönige - Geschichten

Sandkönige - Geschichten

Titel: Sandkönige - Geschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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ihren Opfern. Eines der Opfer war ein Junge. Er stand im Schatten, aber Hal konnte einen schlanken, graziösen  Körper und seine Augen erkennen. Die Augen waren riesig. Bei ihm war eine junge Frau, vielleicht war sie noch ein Mädchen. Sie stand mit dem Rücken an der Wand unter einer gelben Wandlaterne. Ihr Gesicht war blaß, verängstigt. Dunkles Haar fiel ihr über die Schultern; es war also klar, daß sie von einer anderen Welt stammte.
    Crawney stand ihnen gegenüber, ein kurzer, dünner Mann mit schwarzen und roten Schädel streifen und einem Mund voller zu weit vorstehender Zähne. Er war in weichen Kunststoff gekleidet und arbeitete für den Marquis. Hal kannte ihn selbstverständlich.
    Crawney war unbewaffnet. Aber jeder der beiden, die ihn begleiteten, diese ruhigen Riesen, trug einen dunklen Stab und ließ ihn anmutig hin und her schwingen. Stachelstöcke. Ihre Opfer hielten sie in eine Ecke gedrängt.
    Hairy Hal kniete unbemerkt in der Dunkelheit und beobachtete das Ganze. Es war eine unerfreuliche Geschichte, aber er hatte sie schon oft gesehen.
    Crawney stieß leise Drohungen aus, mit milder, undeutlicher Stimme. Die Frau bettelte. Der Blitz eines Stachelstockes, ein Schrei von dem Jungen. Dann ein Wimmern, als er zusammengekrümmt auf dem Boden lag. Der nächste Stachelstock sauste nieder, ein Schlag auf den Kopf, das Wimmern verstummte. Zum Schluß noch zwei Vergewaltigungen. Crawney sah lediglich amüsiert zu. Anschließend nahmen sie alles an sich und ließen das Mädchen weinend neben dem Jungen liegen.
    Hairy Hal wartete noch lange, als sie gegangen waren, bis sogar das Echo ihrer Schritte auf dem Korridor nicht mehr zu hören war. Dann erhob er sich und ging zu der Frau hinüber. Sie war nackt und verwundbar. Als sie ihn sah, stieß sie einen kleinen Schrei aus und versuchte aufzustehen. Also lächelte er sie an. Das war ein weiteres Markenzeichen von ihm; sein Lächeln. »Nun, nun, Starlady«, sagte er. »Ruhig. Hal tut dir nichts. Dein Freund scheint Hilfe zu brauchen.«
    Während sie ihm mit weit aufgerissenen Augen zusah, kniete er neben dem Jungen nieder und rollte ihn in den Schein der Wandlaterne. Der Junge war vor Schmerz in Ohnmacht gefallen, aber nicht weiter verletzt. Das bemerkte Hal jedoch kaum. Er starrte ihn an.
    Der Junge war golden.
    Niemals hatte Hal je so einen Jungen gesehen. Seine Haut war von einem sanften, weichen Gold, sein Haar schimmerte silbrigweiß. Die Ohren waren elfenhaft, spitz und zart geformt, die Nase klein und gut geschnitten. Ein Mensch? Hal wußte es nicht. Aber er wußte, daß es keine Rolle spielte. Alles, was wichtig war, waren Schönheit und strahlende Unschuld. Hal hatte seinen Golden Boy gefunden.
    Die Frau hatte inzwischen das, was Crawney von ihrer Kleidung übriggelassen hatte, angezogen. Sie stand auf. »Was kannst du tun?« fragte sie. »Ich bin Janey Small vom Rhiannon. Unser Schiff...«
    Hal sah zu ihr auf. »Nein, Starlady«, sagte er. »Es gibt kein Schiff mehr. Crawney hat eure Namensschilder, und der Marquis wird sie verkaufen. Irgendein Insider wird Janey Small vom Rhiannon sein. Klar? So was passiert nun mal jeden Tag. Starlady hätte auf dem Concourse bleiben sollen.«
»Aber...« begann die Frau, »wir müssen zu jemandem. Ich meine, der Mann mit den Streifen auf dem Kopf hat gesagt, er würde uns guten Stoff zeigen. Er heuerte die beiden als Leibwache für uns an. Kannst du uns zur  Polizei bringen?«
    Ihre Stimme war beherrscht, ruhig, und die Tränenspuren auf ihrem Gesicht waren getrocknet. Sie erholte sich schnell. Hal bewunderte sie.
    »Starlady ist auf Thisrock gelandet«, meinte er. »Keine Polizei hier. Nichts. Hättet besser richtige Leibwache angeheuert. Vernünftige Jungs hätten dir schon beigestanden. Crawney hat statt dessen zugeschlagen. Starlady war kein Prometheaner, kein Insider, ohne Schutz, wahrscheinlich vierte Klasse gereist, was?« Er brach ab, und sie nickte. »Also, Crawney wollte eure Schildchen. Starlady war dumm, leichte Sache.« Hal blickte auf Golden Boy hinunter, dann wieder die Frau an. »Gehört der zu dir?« fragte er.
    »Ja. Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht genau. Er war auf dem Schiff. Niemand konnte ihn verstehen, und niemand schien ihn zu kennen oder zu wissen, woher er kam. Er fing an, mir nachzulaufen. Ich weiß nicht viel über ihn, aber er ist gut, freundlich. Was wird jetzt mit uns?«
    Hal zuckte die Schultern. »Hilf mit, Golden Boy über Hals Schultern zu legen. Komm mit, nach

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