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Sandor Marai

Sandor Marai

Titel: Sandor Marai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Fremde
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Verliererin
hielten. Keine Frau, die schöner, besser, hingebungsvoller, edler, empfindsamer,
amüsanter, verliebter wäre als sie, kein Argument, das den Mann berechtigen
würde, sie gegen eine andere einzutauschen. In diese Auffassung, deren
unerbittliche Strenge ihm respektvolle Bewunderung abnötigte, mußte er sich
schicken.
    Niemand
verstand, warum er das Glück, und sei es nur für kurze Zeit, »ausgerechnet bei
dieser Frau« gefunden hatte. Und die Frauen, die auf der Gegenseite Stellung
bezogen, sorgten auf feine, kaum merkliche Weise dafür, daß ihn nach kurzer
Zeit Zweifel am Wert des Objekts seiner Leidenschaft beschlichen. Sie lobten
die Anmut und Schönheit der Auserwählten und bedauerten nur beiläufig, daß sie
»schon dreißig« sei – ein für Tänzerinnen bereits gefährliches Alter. Überhaupt
konnten sie mit dem Alter überzeugend argumentieren, entweder war die Frau zu
jung oder zwar gerade noch an der Grenze
des Annehmbaren, doch »was wird in zehn Jahren sein?«
    Sie fanden
zum Beispiel den Gang der Rivalin tadellos, er sei »trotz ihrer etwas
rundlichen Figur« noch immer sehr gefällig; und sie anerkannten, daß sie sich
»eigentlich ziemlich gut« kleide, was man auch so auffassen konnte, daß sie
nicht das geringste von Kleidung verstehe und es um so überraschender sei, daß
ihr die Straßenkinder nicht nachrannten. Er mußte lernen, daß es, was
»Privatangelegenheiten« betraf, keine Großstadt gab. Die riesige Stadt, die er
sich zum Zuhause gewählt hatte, schien sich mit nichts anderem zu beschäftigen
als mit der ständigen, gierigen und provinziellen Überwachung von
Abertausenden von Privatangelegenheiten; jede Straße einer Großstadt war in
Wahrheit ein kleines Dorf, wo man sogar registriert, wenn jemand in der
Nachbarschaft morgens in saubere Strümpfe schlüpft.
    Es begann
ihm zu schwindeln. Auch über die Männer, über das Elend, in dem Männer zumeist
lebenslang dahinvegetierten, schien er zum ersten Mal Greifbares und Sicheres
in Erfahrung zu bringen. Die Mehrzahl von ihnen schien ihn zu dieser Zeit mit
einer Mischung aus Bewunderung und Grauen zu betrachten – wie einen
Wahnsinnigen, der sich zwar heldenhaft verhält, doch nur weil er wahnsinnig ist
und nicht weiß, was er tut. Seine Freunde ermahnten ihn mit kurzen und
unheilverkündenden Anspielungen, er solle sich die Sache überlegen und sich in
acht nehmen. Als würde er in seiner
Wohnung ein gefährliches Tier, einen Löwen oder eine Hyäne halten, und es wäre
das klügste, es in einen Käfig zu sperren und einem Zoo zu schenken, um
Schlimmeres zu verhüten. Einige empfahlen eine Reise, andere wiesen mit
gerunzelter Stirn auf die Kraft des Geldes hin, die für alles eine Lösung
biete.
    Alle waren
sich darin einig, daß er diese Beziehung »ausleben« mußte; doch sie nahmen ihm
eindeutig übel, daß er unter »ausleben« offensichtlich etwas anderes verstand,
als sich schickte und üblich war; er handelte offen und zog alle Konsequenzen,
was vielleicht »männlich« und »vornehm«, doch gegen die Übereinkunft war; der
Übereinkunft hätte entsprochen, daß der verheiratete Mann sich mit der Tänzerin
zweimal wöchentlich zwischen vier und sechs Uhr nachmittags trifft, im
geheimen, und ihr nach dem Zusammensein Geld gibt, nach Möglichkeit wenig Geld.
Die Leidenschaft verstanden und billigten die Männer im allgemeinen, doch den
»Preis«, den er dafür zahlte, fanden sie zu hoch. (Askenasi bemerkte lange
nicht, daß er für irgend etwas einen Preis zahlte. Vielmehr hatte er das
Gefühl, daß er es war, der unerwartet etwas bekommen hatte, der reichlich
beschenkt worden war.) Jedenfalls mahnten sie ihn, auf der Hut zu sein und auch
auf das geringste verdächtige Anzeichen zu achten. Und wenn er eine Gefahr
sehe, könne er auf die Gesellschaft rechnen, die für ihn Partei ergreifen und
ihn aus den Armen des Vampirs retten werde ...
    Sie
verübelten ihm die gesellschaftliche Stellung der gewählten Frau; und so mußte
er nach und nach verstehen, daß er sich auf einen übermenschliche Kräfte
erfordernden Kampf eingelassen hatte, als er wagte, gegen gewisse Übereinkünfte
zu verstoßen. Daß die Gesellschaft »Missetaten« auch von Seiten verantwortlicher
Individuen nur im Rahmen gewisser gängiger Gebräuche duldete, nachmittags
zwischen vier und sechs und in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten. Sie
versuchte auszustoßen, wer den Regeln zuwiderhandelte und bemüht war, freizügig
und individuell zu

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