Sandor Marai
Garten.
Die Übung
von fünfhundert Jahren, dachte er abweisend. Methoden. Die Hindus können noch
ganz andere Sachen. Der Zauber und die in ihrer feinen, rigorosen
Schamhaftigkeit fast hochmütige und vornehme Abgeschlossenheit des Gartens verwiesen
ihn darauf, daß diese »Methode« Selbstbewußtsein hatte und einem Zweck diente;
diese Stille war nicht der künstliche Friede eines Sanatoriums, sondern das
Produkt sich durch Jahrhunderte ablagernder Ruhe, von Disziplin und Willen. Er
ging auf die Kirche zu, als er in einer der »Lauben« (in Wahrheit das Geflecht
einiger Büsche und zweier Palmen) ein seltsames Klappern hörte; der Laut
wiederholte sich in kurzen Abständen, er erkannte das Geräusch einer
Gartenschere. Er näherte sich den Blumenbeeten und betrat den schmalen Kiesweg.
Nach einigen Schritten stutzte er und blieb stehen. Hinter der Palme trat ein
Mann in braunem Habit hervor, Heckenschere und Gießkanne in der Hand. Er trat
zum Brunnen und tauchte die Kanne ein, erst jetzt bemerkte er Askenasi. Ohne
besonderes Interesse, Lächeln oder Herzlichkeit sah er dem Gast entgegen; er
grüßte als erster, mit der Selbstverständlichkeit des Hausherrn, nickte sehr
würdevoll mit seinem tonsurierten grauen Haupt. Askenasi verneigte sich
förmlich und erwiderte den Gruß. Die dicke braune Lodenkutte ließ die Gestalt
des alten Mönchs nicht erkennen, Askenasi hätte nicht gleich zu sagen
vermocht, ob er dick oder schlank war. Seine sonnengegerbten, knorrigen,
abgearbeiteten Hände schienen eher einem Tagelöhner als einem Mönch zu gehören,
in seinem mageren Gesicht leuchteten zwei flackernde, matt glänzende schwarze
Augen.
Einen
Augenblick lang überfielen diese Augen Askenasi als gellende Frage; doch der
blutlose, schmale
Mund blieb geschlossen, und nach diesem langen Augenblick erlosch ihr fragendes,
fast aggressives Lodern. Mit der Gießkanne und der Schere in der Hand wandte er
sich wieder den Sträuchern zu, als hätte er genug gesehen und nichts weiter zu
fragen; er goß einen der Sträucher, löste vorsichtig einen Mimosenzweig heraus,
schnitt mit seiner Schere hellgelbe Blütentrauben ab, ging langsam auf und ab
und kümmerte sich überhaupt nicht um Askenasis Gegenwart, als hätte er sich an
die aufdringlichen Besuche neugieriger, neunmalkluger Touristen gewöhnt, als
gäbe es keine irdische Kraft oder Macht, die ihn daran hindern könnte, seine
Arbeit in der vorgesehenen Stunde zu verrichten.
Jede seiner
Bewegungen war bedächtig und vornehm. Askenasi stand verlegen da, blickte um
sich, als suchte er etwas, zog seine Uhr hervor, sah zum Himmel auf, und als
der Ordensbruder seine Gegenwart noch immer nicht zur Kenntnis nahm, hüstelte
er und begann beschämt und mit zögernden Bewegungen davonzugehen. Sein Weg
führte an dem Mönch vorbei, der jetzt aus Gräsern geflochtene Schnüre um die
Mimosenzweige wand und zu diesem Zweck niedergekniet war; aufmerksam
betrachtete Askenasi die kniende Gestalt, den gedrungenen Leib in dem braunen
Habit, den schmalen Schädel, der unverhältnismäßig klein war und zerbrechlich
auf dem sehnigen Hals saß; um die Hüfte trug er einen dicken Strick, an seiner
Seite hing ein Rosenkranz. Als Askenasi näher gekommen war, wandte der Mönch
den Kopf und fragte,
ohne sich aus seiner knienden Haltung zu erheben, mit einem gleichgültigen
Lächeln, doch höflich, fast kaufmännisch: »Sie wünschen, mein Herr ...?« Die
Aussprache der deutschen Worte klang fremd und unsicher.
Über ihnen,
vielleicht vom Campanile eines anderen Innenhofs des Klosters, ertönte jetzt
das Angelusläuten. Der Mönch schlug ein Kreuz, senkte den Kopf und betete
stumm; dann stand er auf und fragte, noch immer lächelnd, doch schon bestimmter: »Sie wünschen ...? Wir schließen bald.« Und er wies auf die Kirche. Sie
standen einander gegenüber, und Askenasi konnte endlich die mächtige Gestalt
bewundern; die braune Kutte verhüllte einen kräftigen, muskulösen Körper, die
Hände hatte er verschränkt und in den weiten Ärmeln verborgen. Auge in Auge
mit dem gewaltigen Mann fühlte sich Askenasi unbedeutend, er blickte, den Kopf
seitwärts geneigt, unverwandt in das lächelnde Gesicht, dessen feine Züge und
gesunde Frische ihn überraschten. Die Stirn war faltenlos, das weiße Haar
legte sich dicht und perückenartig an den länglichen Schädel, die Eleganz des
Kopfes, der vornehme Schnitt des Mundes und der Nase, die beunruhigenden, dunkel
flackernden Augen kontrastierten mit der
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