Sandra die Detektivin in Jeans
Fedorbande befehligte. Außerdem war Fedor zuständig für die Verteilung des Lösegeldes, das die erpreßten Kinder ihnen ablieferten.
Hortense drängte sich zu der Aufgabe, widerspenstige Kinder gefügig zu machen. Die Furcht der Kinder gab ihr ein Gefühl von Macht und Überlegenheit, das sie genoß. Indem sie ihre Opfer quälte, rächte sie sich, wenn auch ihr selbst unbewußt, für den mütterlichen Liebesentzug.
„Ich bin dagegen“, sagte Klaudia. Klaudia haßte Gewaltanwendung. Ihr wurde übel davon. Um jedoch ihre Schwäche den anderen nicht zu verraten, gab sie sich bedächtig und warnte: „Bei Maria hast du es übertrieben. Eines Tages dreht eine durch und verpfeift uns, und dann sind wir dran.“
„Wie alt ist sie?“ fragte Ruth.
Fedor gab die Frage an Gesine weiter. „Wie alt bist du?“
„Vierzehn.“
„Und dein Freund?“
„Ich hab keinen“, erwiderte Gesine.
„Mit vierzehn...?“ Ruth schien das unbegreiflich zu finden.
Hortense sprang auf. „Die lügt doch. Ich nehme sie mir vor. Keine Bange! Sie soll uns nur ein paar Klimmzüge zeigen“, fügte sie auf Klaudias abwehrende Handbewegung hinzu.
Doch Klaudia zog Hortense auf die Bank zurück. „Spinner! Sie ist doch erst kurz in der Stadt. Wie soll sie da schon was mit nem Jungen haben.“
„Still!“ Roland lauschte angestrengt auf ein sich näherndes Geräusch.
Fedor ergriff den neben ihm liegenden Feldstecher, trat zum Fenster und suchte mit dem Feldstecher das Gelände ab. „Niki und Herbert“, berichtete er.
„Laßt Gesine jetzt in Ruhe! Sie wird schon spuren.“ Er wendete sich an Gesine. „Du bist ja nicht lebensmüde, oder?“
Gesine hatte vor Angst einen trockenen Mund. Dennoch bemühte sie sich, ein zustimmendes „Nein“ hervorzupressen, um Fedor nicht noch einmal durch ihr Schweigen zu verärgern oder gar Hortense aufzuregen.
„Also“, begann Fedor, „die Brosche war nichts wert. So einen Mist brauchst du uns nicht noch einmal anzuschleppen. Und überhaupt...“
Hortense fiel ihm ins Wort. „Aber geklaut ist geklaut! Wir haben die Brosche noch. Versuche ja keine Tricks, oder wir zeigen dich an. Übrigens hat Ruth gesehen, wie du die Brosche bei Röttgers geklaut hast. Sie wird das bezeugen.“
Ruth sollte sie beobachtet haben? Gesine konnte es nicht glauben. Andererseits erschien es nicht ausgeschlossen. Als sie die Brosche an sich nahm, befanden sich viele Kinder in der ersten Etage, auch Mädchen, die sich die Modenschau angesehen hatten.
Gesine ahnte nicht, daß Hortense log, um ihr Angst einzujagen.
„Wieviel Taschengeld bekommst du?“ wollte Fedor wissen.
„Acht Mark in der Woche.“
„Das lieferst du jeden Montag hier ab.“
Gesine starrte ihn betroffen an. Das war ja furchtbar! Wovon sollte sie ihre Schulhefte kaufen und das Schwimmbad bezahlen?
„Alles?“ fragte Gesine. „Wie lange denn?“
„Bis auf weiteres.“
An dem Lachen der anderen erkannte Gesine, daß sie auf lange Zeit kein eigenes Geld mehr haben würde. Sie hatten sie in der Hand.
Am besten, sie würde sich das Leben nehmen.
„Kann ich jetzt gehen?“ fragte sie tonlos.
„Warum so eilig?“ fragte Fedor lässig. „Es muß dir doch ein bißchen mehr wert sein, daß wir dich nicht verpfeifen.“
„In... in Kaufhäusern klauen, da... das kann ich nicht!“ stammelte Gesine.
Sie würde es wirklich nicht fertigbringen. Die wenigen Male, die sie sich dazu hatte hinreißen lassen, waren fast ohne ihren Willen geschehen. Es passierte ihr wie von selbst. Doch ein Kaufhaus mit dem Vorsatz zu betreten, etwas zu stehlen, das würde in einer Katastrophe enden. Sie war zu ängstlich dafür. Man würde sie schnappen.
„Sie werden mich schnappen!“ jammerte sie.
„Was verdient dein Großvater?“ fragte Fedor ungerührt. „Nichts. Er bekommt Rente. Er kann mir nichts geben.“
„Wieviel Rente?“
„Das weiß ich nicht.“
„Aber ihr lebt gut? Es ist Geld für Bier im Haus.“
„Meine Mutter schickt...“ Gesine biß sich auf die Unterlippe. Zu dumm, jetzt hatte sie sich verplappert.
Fedor reagierte schnell. „Deine Mutter zahlt also für dich! Dann erhöht sich deine Abgabe auf zwanzig Mark.“
„Woher soll ich denn...? Ich hab ja... Ich bekomme doch nur acht Mark!“ Gesine fing an zu schluchzen.
Etwas polterte gegen die Außenwand. Es waren die Fahrräder, die die Neuankömmlinge abstellten. Die Tür öffnete sich. Zwei Jungen von vielleicht zehn oder elf Jahren traten ein.
„Ihr seid spät!“
Weitere Kostenlose Bücher