Sands, Lynsay - HG 128 - Doppelspiel aus Liebe
Mylord“, hauchte sie und griff die Bemerkung wieder auf, die er zuletzt gemacht hatte.
„Kennen Sie Lord Radcliffe gut?“ erkundigte sie sich.
„Ich würde sagen, so gut es nur geht. Seine Schwester war mit meinem Bruder verheiratet.“
„Mary“, flüsterte sie traurig und hob den Kopf, um ihren Tanzpartner anzuschauen. „Sie lernten B … Charles in Radcliffes Club kennen, nicht wahr?“ Das hatte Beth ihr erzählt.
„Richtig. Ein netter Bursche, wenn auch nicht halb so nett wie seine Schwester.“
Bei diesem Kompliment errötete sie aufs Neue und wandte den Blick rasch ab.
Wie konnte sie feststellen, ob er ein möglicher Ehemann war? Bis jetzt hatte sie noch keinen anderen Mann kennen gelernt. Die Tatsache, dass er groß, selbstbewusst, attraktiv und ein recht guter Tänzer war, stellte ihn jedoch schon weit über die anderen Herren, die sie heute Abend getroffen hatte. Und aus einer guten Familie kam er wohl auch. Es musste schließlich eine gute Familie sein, wenn Radcliffe seiner Schwester gestattet hatte, in sie einzuheiraten.
„Sind Sie verheiratet?“
„Überlegen Sie sich, ob ich ein möglicher Ehegatte wäre, Mylady?“ spöttelte er.
Scheinbar unbekümmert zuckte Charlie die Schultern. „Wozu wären diese Bälle denn sonst gut?“
„Stimmt, doch gewöhnlich sind Ladys nicht so direkt. Übrigens bin ich allein stehend“, fügte er dann leise hinzu. „Meines Wissens habe ich keine Krankheiten und bin durchaus in der Lage, Nachwuchs zu zeugen“, schloss er spöttisch.
Charlie errötete erst und lachte dann leise.
„Wie ungemein charmant, Mylady! Sie kommen gleich zur Sache und erröten ganz reizend. Ich frage mich, ob diese Röte wohl bis zu Ihren Zehenspitzen reicht?“
Als Charlie daraufhin vor Verlegenheit leicht stolperte, zog er sie an seine Brust, um sie festzuhalten, und ließ die Hand mit leichtem Druck über ihren Rücken gleiten.
Verwirrt durch seine unerwartete Liebkosung, musste Charlie schlucken. Sie fühlte eine ähnliche Erregung, wie sie sie bei Radcliffe empfunden hatte, wenn auch nicht so stark. Bei ihm war es ein reines Vergnügen gewesen. Während sie sich bei Radcliffe völlig sicher gefühlt hatte, wusste sie instinktiv, dass dieser Lord hier sich nicht übermäßig um etwaige Konsequenzen kümmerte. Er vermochte eine Frau ohne Bedauern zu ruinieren. Das würde Radcliffe niemals tun. Dessen Verständnis für Recht und Unrecht war viel zu ausgeprägt.
„Reicht nun die Röte bis ganz hinunter?“ flüsterte ihr Tanzpartner ihr verführerisch ins Ohr, und Charlie erschauerte.
Weil sie den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte, blickte sie sich im Ballsaal rasch nach Beth und Radcliffe um, und plötzlich entdeckte sie jemanden, der sie erneut stolpern ließ: Ralphy!
„Fehlt Ihnen etwas?“ erkundigte sich der Lord besorgt und stützte sie.
„Ich … nein.“ Sie brachte ein entschuldigendes Lächeln zu Stande. „Ich fürchte nur, ich habe es mit dem Tanzen ein wenig übertrieben, Mylord. Wären Sie sehr böse, wenn ich diesen Tanz abbräche?“
„Ich wäre am Boden zerstört, doch ich möchte keinesfalls, dass Sie womöglich vor Überanstrengung ohnmächtig werden“, entgegnete er galant. Er nahm ihren Arm und führte sie von der Tanzfläche, wobei er den Blick über ihr eisblaues Gewand mit der Häkelspitze und den seidengefütterten Schlitzen gleiten ließ.
„Mir ist aufgefallen, dass Sie seit Ihrer Ankunft hier keinen einzigen Tanz ausgelassen haben. Vielleicht würde ein kühles Getränk Sie wieder beleben“, meinte er und brachte sie zu einem der wenigen freien, an der Wand aufgereihten Stühle. „Darf ich Ihnen etwas holen?“
„Ja, bitte.“ Als er fort war, ließ Charlie den Blick durch den Saal schweifen. Sie wusste es natürlich nicht genau, glaubte jedoch, Ralphy hätte sie gesehen und würde nun, da sie allein war, zu ihr kommen.
„Da bist du ja!“ Vor ihr tauchte Beth auf. Sie trug die neue rehbraune Kniehose und den Gehrock, der heute Nachmittag angeliefert worden war. „Dich kann man ja nur mit Mühe im Auge behalten!“
Über diese vorwurfsvolle Bemerkung musste Charlie beinahe lächeln, denn Beth hatte selbstverständlich während des ganzen Abends immer sehr genau gewusst, wo sie sich befand, hatte jedoch, wie versprochen, Radcliffe in die Irre geleitet. Tomas Mowbray war gar nicht erst erschienen und brauchte also nicht abgelenkt zu werden.
„Wir sahen dich mit Norwich tanzen.“ Radcliffes Missbilligung war
Weitere Kostenlose Bücher