Sanft berührt – und schon verführt?
Beruhigungspille. Noch bevor der Jet abhob, war sie eingeschlafen.
Sobald es möglich war, löste Kieran seinen Sicherheitsgurt und rückte näher an sie heran. Zärtlich strich er ihr das Haar aus der Stirn. Die dunklen Wimpern bildeten kleine Halbmonde auf den vom Weinen geröteten Wangen. Während er betrachtete, wie sich ihre Brüste im Rhythmus des Atems hoben und senkten, spürte er einen süßen Druck auf dem Herzen. Plötzlich wusste er, er liebte sie. Mit Leib und Seele. Was er vor mehr als fünf Jahren versucht hatte, mit Stumpf und Stiel auszureißen, war wieder da. Und sie hatten eine Tochter …
Hastig stand er auf und ging in Richtung Cockpit. Die unterschiedlichsten Gefühle überwältigten ihn, Freude, aber vor allem Entsetzen und Furcht. Wenn er sie nun verlieren würde? Dazu brauchte es noch nicht einmal tragische Umstände. Olivia konnte abreisen, zusammen mit Cammie. Immerhin hatte sie seinen Heiratsantrag kühl abgelehnt. Einfach so.
Olivias Schlaf war ein einziger Albtraum. Schließlich erwachte sie mit schweißnassen Händen und wild klopfendem Herzen. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich zu erinnern, wo und warum sie hier war. Dann fiel ihr alles ein. Sie unterdrückte die Tränen, die ihr sogleich in die Augen stiegen, und setzte sich auf. Tausende von Menschen hatten in diesem Jahr ihr Heim verloren, durch Hochwasser, Hurrikans oder Feuer. Sie war gesund. Sie hatte Cammie. Und sie hatte Geld. Dennoch, die Vorstellung, sich ein neues Zuhause aufbauen zu müssen, war ziemlich gruselig.
Kieran kam aus dem Cockpit zurück. Das Hemd hing ihm halb aus der Hose. Er war nicht rasiert, und auf seiner Stirn hatten sich tiefe Falten eingegraben, die gestern noch nicht dort gewesen waren, da war Olivia sich ganz sicher. Wahrscheinlich sah sie auch nicht besser aus. Er setzte sich neben sie und befestigte den Sicherheitsgurt. „Wir landen bald.“
Sie befreite sich von den Decken und ließ den Verschluss ihres Gurtes einrasten. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“
„Genau weiß ich das nicht, aber du hast nichts versäumt. Wir sind über den Wolken geflogen.“
Sie versuchte ein vorsichtiges Lächeln und legte ihm die Hand auf den Arm. „Danke, Kieran, danke, dass du mit mir gekommen bist.“
Er streichelte ihr den Handrücken. „Geht es dir besser?“
Sie nickte und lehnte sich leicht gegen seine Schulter. Sich an ihn zu klammern und ihn nie wieder loszulassen war ein verführerischer Gedanke. Denn was vor ihr lag, beunruhigte sie sehr. Wie sagte man einer Fünfjährigen, dass es ihr Zuhause nicht mehr gab? Dass ihre Puppen, Spielsachen, ihr kuscheliges Bett in Flammen aufgegangen waren?
Letzten Endes übernahmen sie diese Aufgabe gemeinsam. Annalise hatte Cammie etwas zu essen gekocht und sie dann gebadet und ins Bett gebracht. Sie las der Kleinen gerade vor, als Olivia und Kieran durch die Tür traten.
Cammie strahlte, als sie die beiden sah. „Mommy! Kieran! Ihr seid wieder da! Habt ihr mir was mitgebracht?“
Annalise stand sofort auf, umarmte Olivia kurz und verließ diskret den Raum. Kieran hob Cammie aus dem Bett und drückte sie an sich. Er wirkte traurig und dankbar zugleich. Alle drei setzten sich auf die gepolsterte Fensterbank, von der aus sie weit über die Berge blicken konnten. Es dämmerte bereits. Kieran warf Olivia einen fragenden Blick zu. Bist du bereit?
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Bitte, mach du’s. Sie hatte Angst, in Tränen auszubrechen. Und sie wollte ihr Kind nicht noch mehr beunruhigen.
Kieran drückte Cammie einen zärtlichen Kuss auf den Scheitel. „Etwas Trauriges ist passiert, Häschen. Du musst tapfer sein.“
Die Kleine wurde sofort ernst und sah Kieran ängstlich an. „Was denn?“
Olivia sah, wie schwer es ihm fiel, und schämte sich, dass sie ihm diese schwierige Aufgabe überlassen hatte. Ihm war klar, dass die Neuigkeiten schlimm für die Kleine waren. Aber manche Dinge mussten eben sein, und sie konnten dem Kind die Wahrheit nicht verheimlichen.
„Euer Haus in Kalifornien hat gebrannt“, sagte er langsam und leise.
„Hat Mommy das Bügeleisen angelassen?“
Obgleich ihr eigentlich nicht danach zumute war, musste Olivia lächeln. „Nein, mein Schätzchen.“
Auch Kieran wurde etwas leichter ums Herz. „Ein böser Mann hat ein Feuer gemacht, und das konnte man nicht mehr löschen.“
„Was ist mit Princess Boots?“
Als Kieran die Stirn runzelte, da er mit dieser Frage nichts anfangen konnte, sprang Olivia ein.
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