Sanft kommt der Tod
alles, was sie loswerden möchte, in ihrem Tagebuch notieren kann und dass niemand es jemals lesen wird. Ich verstehe nicht, was Ihre Fragen sollen.«
»Privatsphäre ist etwas Wichtiges«, stimmte Eve ihr zu und wandte sich wieder an das Kind. »Wobei Freundschaft mindestens genauso wichtig ist. Ich schätze, dass gute Freundinnen sich gegenseitig erzählen, was in ihren Tagebüchern steht. Hast du Rayleens Tagebuch gelesen?«
»Nein, sie ... hm. Vielleicht hat sie gar kein Tagebuch.«
Eve ging den nächsten logischen Schritt. »Sie hat es dir am Donnerstag gegeben, als sie zu dir kam. Was sollst du damit machen?«
»Sie war nur zum Spielen hier, das war alles. Um ein bisschen mit mir rumzuhängen. Wir können nicht zur Schule gehen, weil Mr Williams dort im Schwimmbecken ertrunken ist.« In Melodies Augen stiegen Tränen auf. »Alles ist total ätzend, und jetzt werden Ray und ich nicht mal mehr in dieselbe Schule gehen. Aber sie ist meine beste Freundin. Und beste Freundinnen halten immer zusammen.«
»Weißt du, was ein Durchsuchungsbefehl ist, Melodie? Ich kann mir einen besorgen«, fuhr Eve entschlossen fort, als das Mädchen einfach mit den Schultern zuckte und sie gleichzeitig mit bösen Blicken maß. »Dann darf ich dein Zimmer durchsuchen. Was ich aber gar nicht will.«
»Lieutenant. Mein Gott, was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Angela schockiert.
»Ich brauche das Tagebuch, Melodie. Und wenn es sein muss, stelle ich deshalb dein Zimmer auf den Kopf.«
»Sie werden es nicht finden. Sie werden es nicht finden! Weil Ray ...« Melodie brach ab, umklammerte die Hand der Mutter und fuhr schluchzend fort: »Ich habe es versprochen. Ich habe es versprochen, Mom. Und Versprechen muss man halten.«
»Ja. Schon gut, Baby.« Sie nahm ihre Tochter in den Arm. »Ist Rayleen in Schwierigkeiten?«
»Um das sagen zu können, brauche ich das Tagebuch. Es ist in Melodies eigenem Interesse, dass sie es mir gibt.«
»Warten Sie. Einen Moment.« Als Angela die Augen schloss, war ihr deutlich anzusehen, wie sie mit sich rang. Dann umfasste sie Melodies Gesicht, zwang sie sanft, sie anzusehen, und sagte in ruhigem Ton: »Du musst der Polizei die Wahrheit sagen, Schatz. Es ist wirklich wichtig.«
»Aber ich habe es versprochen!«
»Die Wahrheit ist genauso wichtig wie ein Versprechen. Sag es mir, Schatz, hast du Rayleens Tagebuch?«
»Nein! Nein! Ich habe es ihr gestern Abend zurückgegeben. Ich hatte es nur ganz kurz und habe nicht darin gelesen. Es ist abgeschlossen, aber ich hätte auch nicht darin gelesen, wenn es offen gewesen wäre. Das habe ich ihr geschworen.«
»Okay, Baby, okay. Sie hat es nicht«, wandte sich Angela erneut an Eve. »Ich werde nicht darauf bestehen, dass Sie sich vorher einen Durchsuchungsbefehl besorgen, falls Sie denken, dass Sie danach gucken sollten. Aber ich sage Ihnen, wenn sie sagt, dass sie es nicht mehr hat, hat sie es nicht mehr.«
»Wir brauchen uns nicht extra umzusehen. Melodie, was hat Rayleen zu dir gesagt, als sie dir das Tagebuch gegeben hat?«
»Sie hat gesagt, die Polizei würde zu ihr nach Hause kommen und sich alle ihre Sachen ansehen.«
»Oh, mein Gott«, murmelte Angela. »Sie haben die Wohnung der Straffos durchsucht? Das wusste ich ja gar nicht. Ich habe Melodie zu ihnen gehen lassen. Ich ...«
»Melodie ist nichts passiert und ihr wird auch nichts passieren«, fiel ihr Eve ins Wort. »Sprich weiter, Melodie.«
»Sie hat mich nur darum gebeten, es für sie aufzubewahren und niemandem zu sagen, dass sie es mir gegeben hat. Es ist etwas Privates, es ist ein Tagebuch. Und es wäre nicht richtig, wenn irgendwelche Fremden ihre privaten Gedanken lesen würden. Mir konnte sie vertrauen, weil ich ihre beste Freundin bin. Gestern Abend habe ich es ihr zurückgebracht, genau, wie sie es wollte. Aber jetzt wird sie wütend auf mich sein, weil ich es doch erzählt habe.«
»Nein, das wird sie nicht«, beruhigte Angela das Kind, starrte aber gleichzeitig die Polizistinnen mit großen Augen an. »Es wird alles gut werden, mach dir keine Gedanken.« Damit stand sie auf, zog auch Melodie auf ihre Füße und nahm sie in den Arm. »Ich bin stolz auf dich, weil du die Wahrheit gesagt hast. Denn damit hast du das Richtige getan, auch wenn das alles andere als einfach war. Los, geh schon mal rüber in die Küche und hol dir eine Kirschlimo. Ich komme sofort nach.«
»Tut mir leid, dass ich so böse zu dir war.«
»Mir tut es auch leid, Schatz. Hol uns beiden eine große
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