Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
Vielleicht meldet sich dann noch jemand mit neuen Informationen.«
»Hoffen wir’s«, sagte Carter. »Ich weiß, das ist an den Haaren herbeigezogen, aber ich werde trotzdem Lester Hatchell fragen, ob Sonja diese Frau gekannt hat.«
»Du glaubst immer noch an einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Schaden kann es jedenfalls nicht«, pflichtete Sparks ihm bei. Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, dann beendete Carter das Gespräch. Seine Gedanken überschlugen sich bei dem Versuch, sämtliche Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen.
Sonst gab es bislang keine neuen Erkenntnisse, aber zum ersten Mal seit dem Leichenfund am Catwalk Point hatte er das Gefühl, voranzukommen. So, als hätte er einen winzigen festen Halt im Fließsand gefunden, durch den er watete – einen Halt, der jeden Augenblick nachgeben konnte, rief er sich in Erinnerung.
Wenige Minuten später war er zu Hause, hatte Handschuhe, Jacke und Stiefel abgelegt, das Feuer geschürt und sich am Schreibtisch niedergelassen. Er fuhr den Rechner hoch, rief seine E-Mail ab, fand mehrere Nachrichten von Sparks und öffnete die Anhänge – einen Bericht und ein mittels Computer rekonstruiertes Bild von Mavis.
Sie war eine sehr schöne Frau.
Regelmäßige Züge, hohe Wangenknochen, energisches Kinn …
Und nichts war von ihr geblieben außer ein paar Knochen in einem hohlen Baumstamm.
Warum?
Wer hatte ihr das angetan? Ein Psychopath, dem sie beim Trampen zufällig über den Weg gelaufen war? Oder jemand, den sie kannte? Carter klickte die Fotos an, die die Cousine geschickt hatte, und erkannte die Ähnlichkeit mit dem Computerbild. Eine ziemlich große Ähnlichkeit. Die Fotos waren allerdings nicht sehr scharf, da hatte Sparks Recht. Sie zeigten eine Frau in den Zwanzigern mit mürrischem Gesicht, großen Augen und unbändigem braunem Haar.
»Was ist mit dir passiert?«, murmelte Carter und betrachtete das Bild noch ein paar Sekunden lang, bevor er zum Kühlschrank ging und eine Dose Bier aus der Plastikschlaufe des Sechserpacks zog. Er riss sie auf, trank einen tiefen Zug und setzte sich wieder an den Computer. Der Holzofen zog endlich richtig durch, und Carter umfing eine angenehme Wärme, während er den Ordner zum Fall Sonja Hatchell öffnete und ein Foto von Sonja anklickte. Sie sah genauso aus, wie er sie in Erinnerung hatte.
Er war nicht unbedingt ein Technik-Genie, verstand aber genug von Computern, um ausschneiden, einfügen, vergrößern, verkleinern und die Bilder der zwei Frauen nebeneinander platzieren zu können. Sie übereinander zu legen, überstieg leider seine Fähigkeiten, doch das war gar nicht nötig. Die Ähnlichkeit der Gesichter sprang auch so bereits ins Auge, und als er die Angaben zur Person las, fand er weitere Übereinstimmungen. Sonja war einsachtundsechzig groß, Mavis einsneunundsechzig – genauso groß, wie die Pathologen geschätzt hatten. Sonja war zierlich gebaut, wog fünfundfünfzig Kilo. Mavis Gettes letzter Führerschein, ausgegeben vom Staat Kalifornien, wies ihr Gewicht mit sechsundfünfzig Kilo aus. Kaum ein Unterschied.
Und beide ähnelten hinsichtlich Statur und Gewicht Jenna Hughes.
Was nicht hieß, dass ein Zusammenhang bestand. Es gab keinerlei Indizien, die Jenna Hughes mit Mavis Gette oder Sonja Hatchell in Verbindung brachten.
Noch nicht.
»Ich kann das coole Armband nicht finden«, murrte Allie am nächsten Morgen und stocherte gereizt in ihrem Frühstück herum.
»Welches coole Armband?« Jenna saß im Arbeitszimmer an ihrem Schriebtisch und suchte im Internet nach Sicherheitsdiensten. Drei Firmen hatte sie bereits angerufen, aber alle waren ausgebucht und würden ihr erst etwa in einem Monat Mitarbeiter schicken können, die ihr eine neue Alarmanlage installierten. Jenna hatte sich sogar nach einem Bodyguard erkundigt, denn nach dem Schrecken des vergangenen Abends hatte sie sich Sheriff Carters Rat zu Herzen genommen. Heute war sie zwar überzeugt davon, dass der Blödmann, der an ihrer Stoßstange geklebt hatte, Josh Sykes gewesen war, doch sie hatte keine Beweise. Außerdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass jemand sie beobachtete und dass hinter den vielen Pannen mit der Technik auf der Ranch noch etwas anderes steckte als Alter und Verschleiß. Du leidest unter Verfolgungswahn , sagte sie zu sich selbst, kam jedoch zu dem Schluss, dass Verfolgungswahn immer noch besser war als allzu große Sorglosigkeit.
»Du kennst es
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