Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
seinem Pick-up zerrte.
»Ärger?«, fragte Jenna.
»Jede Menge. Der Strom ist nicht nur hier ausgefallen, sondern auch meilenweit im Umkreis. Ein Auto ist von der Bridge of the Gods gestürzt, und auf der 84 hat es einen schweren Unfall gegeben. Ich muss hin. Der Rettungshubschrauber kann wegen des Unwetters womöglich nicht starten.« Er wies auf seinen Geländewagen. »Ich bringe dich am besten nach Hause.«
»Das ist die entgegengesetzte Richtung«, wandte Rinda ein. »Ich fahre Jenna.«
»Ich hätte in meinem Jeep kommen sollen.«
Wieder klingelte Carters Handy. Er meldete sich, fluchte und führte ein kurzes Gespräch. Als es beendet war, sagte er: »Es wird von Minute zu Minute besser. Ein weiteres Fahrzeug ist am Unfallort außer Kontrolle geraten, hat einen Streifenwagen der Staatspolizei gerammt und einen Polizisten getötet. Ich muss hin.«
»Ich rufe Turnquist an, damit er kommt und mich abholt.«
»Sei nicht albern«, widersprach Rinda. Sie wandte sich Shane zu. »Ich fahre sie heim.«
Carter zögerte.
»Ach, um Himmels willen, ich fahre schon mein Leben lang bei Mistwetter wie diesem, außer während meiner albernen Selbstfindungsjahre in Kalifornien. Mein Subaru hat Allradantrieb. Der fährt traumhaft im Schnee.«
In diesem Moment klingelte Carters Handy erneut, und er nickte. »Okay. Aber wenn etwas schief geht, wenn dir was spanisch vorkommt, ruf mich an, Jenna. Nein, wenn ich’s mir recht überlege: Ruf mich auf jeden Fall an, wenn du zu Hause bist. Halt mich auf dem Laufenden.« Er drückte ihren Arm, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und lief zu seinem Chevrolet Blazer.
»Oh, wow, war das etwa ein Kuss? Von unserem Sheriff, zäh wie altes Leder und überzeugt, dass er nie wieder eine Frau ansehen wird? Das ist ja ein Ding!«
»Tatsächlich?«, versetzte Jenna und eilte, den Kopf gegen den Wind gesenkt, zu Rindas Kleinwagen. »Ich dachte, er hängt immer noch an seiner Frau.«
»Sie ist lange tot, Schätzchen.« Sie stiegen ein, und Rinda machte sich an der Heizung und dem Gebläse zu schaffen. Die Menschenansammlung zerstreute sich allmählich, und ohne Strom war die Stadt fast völlig dunkel. Nur ein paar Geschäfte wurden mit Hilfe von Generatoren beleuchtet. »Carolyn war meine beste Freundin …« Sie warf Jenna einen Blick zu. »Ironie des Schicksals, wie? Anscheinend steht Shane auf Frauen, die ich mag. Wie auch immer, wir alle hatten einen Riesenspaß zusammen, wir kannten uns schon seit der High School. Wes, Shane und David Landis waren sehr eng befreundet.« Sie reckte den Hals, um einen Blick über die Schulter zu werfen, trat dann aufs Gas, wendete geschickt und fuhr zur Stadt hinaus. »Übrigens, David kam bei dem Versuch, die Pious Falls zu ersteigen, ums Leben. Shane war dabei. Beide waren sechzehn, und es hat Shane schwer getroffen, doch irgendwann kam er durch meine Vermittlung mit Carolyn zusammen, und eine Zeit lang waren sie ziemlich glücklich.«
»Nur eine Zeit lang?«
»Ein paar Jahre, und dann …« Sie blickte starr durch die Windschutzscheibe und kniff die Augen zusammen. Schnee sammelte sich auf dem Glas. »… Dann haben sie sich wohl auseinander gelebt, wie das so oft passiert. Shane ging völlig in seiner Arbeit auf, und Carolyn langweilte sich und … Nun ja, kurz gesagt: sie hatte eine Affäre mit meinem Bruder.«
»Wes?«
»Mhm. Ich glaube, es hat Shane fast umgebracht. Schlimmer noch, nach einem schrecklichen Streit eines Nachts – in einer eisigen Nacht, ähnlich wie jetzt – ist Carolyn abgehauen, verlor die Kontrolle über ihren Wagen und hatte einen tödlichen Unfall.« Rinda bremste vor einer nicht funktionierenden Ampel ab und fuhr dann weiter durch die leeren Straßen. »Wenn du mich fragst: Das hat Shane sich nie verziehen. Beides nicht, weder Davids Tod noch Carolyns.«
Was eine ganze Menge erklärte.
»Willst du dich wirklich mit ihm einlassen?«, fragte Rinda.
»Ich weiß im Moment selbst nicht, was ich eigentlich will.«
»Du weichst mir aus. Zwischen euch beiden hat es ordentlich gefunkt. Das spüre ich. Shane ist nicht der Typ, der öffentlich Gefühle zeigt. Ehrlich, ich glaube nicht, dass ich je gesehen habe, wie er einer Frau einen Kuss gibt. Höchstens vielleicht in der Silvesternacht oder so.«
Sie trommelte mit den Fingern aufs Steuerrad, während der Subaru weiter durch den Schnee pflügte. »Im Grunde ist er seit Caroylns Tod nur äußerst selten überhaupt mal mit einer Frau ausgegangen. Glaub mir, ich muss es
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