Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
»Jingle Bell Rock« verklangen, bog Rinda auf die Zufahrt zu Jennas Haus ein.
Das Tor stand offen.
Nirgends war Licht zu sehen.
Jennas Magen krampfte sich vor Angst zusammen. »Hier stimmt was nicht«, flüsterte sie beklommen, als der Kleinwagen vor der Garage schlitternd zum Stehen kam. »Hier ist was ganz und gar faul.« Hastig sprang Jenna aus dem Wagen. Schlitternd und rutschend rannte sie zur Hintertür, wobei sie sich selbst ermahnte, Ruhe zu bewahren. Natürlich war alles dunkel im Haus. Der Strom war ausgefallen. Das hatte nichts zu bedeuten. Alle, die entlang dem Flussufer wohnten, waren von diesem Stromausfall betroffen.
Aber warum hatten ihre Töchter nicht auf ihre Anrufe reagiert? Und Turnquist auch nicht?
Als sie aufschließen wollte, öffnete sich die Tür von selbst – sie war unverschlossen. Im Haus war es nicht nur dunkel, sondern auch kalt. Kein Lebenszeichen. »Cassie!«, schrie sie, bemüht, nicht so panisch zu klingen, wie sie sich fühlte. »Allie! Hey, ich bin zurück. Cassie! Jake!«
»Was ist los?«, fragte Rinda dicht hinter ihr.
»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich gar nichts.« Doch Jennas Herz raste vor Angst, ihre Nackenhaare sträubten sich. Hier stimmte was nicht. Ganz und gar nicht. Sie konnte es in der kalten Luft riechen, in der Stille hören.
Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt. Jenna kramte in einer Küchenschublade nach einer Taschenlampe, knipste sie an und rief wieder nach den Mädchen. »Cassie! Wo steckst du? Allie?«
Doch alles blieb still bis auf den Wind, der um die Giebel pfiff und an den Dachfenstern rüttelte. Und bis auf ihre eigene Stimme, die im Haus widerhallte. Es war nicht bloß kalt. Viel schlimmer, es war wie ausgestorben. Als sei niemand zu Hause.
Eisig wie ein Hauch des Todes kroch es ihr über den Rücken. »Er hat sie«, flüsterte sie, und grausame Angst fuhr ihr an die Kehle. »Er hat sie.«
»Wer?«
Das Handy in ihrer Tasche klingelte.
»Gott sei Dank.« Für eine Sekunde huschte ihre Panik zurück in einen dunklen Winkel ihres Bewusstseins. Vermutlich war Jake, als der Strom ausfiel, mit den Mädchen in die Stadt gefahren oder irgendwohin, wo sie in Sicherheit waren, und steckte jetzt wohl auf den unbefahrbaren Straßen fest. So war es bestimmt. So musste es sein. »Hallo?«, rief sie ins Handy, doch niemand meldete sich. »Hallo? Wer ist da? Jake? Carter?« Sie schrie beinahe, und dann hörte sie etwas – keine Stimme, sondern die schwermütige Melodie aus einem Film … dem Film, in dem sie ihre erste Hauptrolle gespielt hatte. Die Titelmusik von Innocence Lost .
Sie wäre um ein Haar zusammengebrochen.
Er! Er forderte sie heraus. Sie blickte wild um sich, der gelbliche Strahl ihrer Taschenlampe huschte über die Stühle und Arbeitsflächen in der Küche. »Wer ist da?«, fragte sie. »Wer zum Teufel ist da?« Doch die Leitung war schon wieder tot. Sie ließ sich gegen den Küchentresen sinken, wusste, dass es wahr war. Ihre schlimmsten Ängste waren Wirklichkeit geworden: Der Wahnsinnige, wer immer der Scheißkerl sein mochte, hatte ihre Töchter in seiner Gewalt.
44. Kapitel
K eine Panik«, sagte Rinda, als Jenna begann, das Haus auseinander zu nehmen. Sie suchte, blickte in alle Winkel, rief nach ihren Töchtern. Leugnete, was sie im Herzen doch wusste.
»Wo zum Teufel sind sie? Und der Hund? Wo ist der verdammte Hund?«, wollte sie wissen. »Wohin hat er sie gebracht?«
»Ich weiß es nicht, Jenna. Aber sie sind nicht hier, und wenn du alles durcheinander wühlst und womöglich Spuren vernichtest, wird alles nur noch schlimmer.«
Die Panik zerriss sie innerlich, ihr Verstand kam nicht dagegen an. »Ich muss etwas tun!« Sie rief noch einmal Shane an, kam jedoch nicht durch.
»Dann lass uns strategisch vorgehen, okay?«, redete Rinda ihr zu. »Vielleicht finden wir dann heraus, was hier passiert ist.«
»Gut. Fangen wir auf dem Dachboden an, und von dort aus arbeiten wir uns bis nach unten vor.« Sie waren beide mit Taschenlampen ausgerüstet, doch das Haus war groß, ein weitschweifiges Labyrinth, dunkel wie das Innere einer Gruft.
Jennas Muskeln waren völlig verkrampft, ihre Nerven lagen blank, hinter den Augen pochten beginnende Kopfschmerzen. Seite an Seite mit Rinda durchsuchte sie sämtliche Schlafräume und Kammern, die Sauna, die Bäder, jede Ecke und jeden Winkel.
Nichts.
Keine Spur von irgendwem, nicht einmal von dem verflixten Hund.
Mit jedem Schritt schnürte die Angst ihr die Kehle zu, bis sie
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