Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
wissen. Ich versuche schon seit Jahren, ihn wieder unter die Haube zu bringen, aber, nein, ich glaube nicht, dass er ihr Andenken hochhält. Es sind einfach nur Schuldgefühle.«
Sie passierten ein verlassenes Fahrzeug am Straßenrand, das halb von Schnee zugedeckt war, und Rinda schaltete das Radio ein. Der Wetterbericht war niederschmetternd – noch mehr Schnee, sinkende Temperaturen. »Schlimmer geht’s doch kaum noch«, kommentierte Rinda und wechselte zu einem Sender, der Weihnachtslieder spielte.
In keinem der Häuser, an denen sie vorbeifuhren, war Licht in den Fenstern. Der trübe Schimmer, der hier und da durch die Ritzen der Jalousien oder Vorhänge drang, schien von Kerzen, Kaminfeuer oder Taschenlampen zu stammen.
Sie begegneten einem Schneepflug mit gelbem Blinklicht, der sich durch das Unwetter kämpfte und Schneemassen an den Straßenrand schob, ein Streufahrzeug im Gefolge. Die vereisten und verschneiten Straßen waren tückisch, und sie wurden fast eine Dreiviertelstunde lang durch einen weiteren Unfall auf der Hauptstraße aufgehalten. Der Pick-up eines Farmers war mit einer Limousine zusammengestoßen, und es gab keine Möglichkeit, die Unfallstelle zu umfahren. Jenna versuchte, zu Hause anzurufen, und stellte fest, dass ihre stromabhängigen Telefone nicht funktionierten. Sie rief Turnquist an, dann Cassie und Allie, doch niemand meldete sich.
»Warum geht niemand ans Handy?«, fragte sie, und Angst kroch in ihr Herz.
»Das ist wirklich merkwürdig. Wollten sie nicht zu Hause bleiben?«
»Eigentlich schon.«
»Vielleicht ist ein Sendemast ausgefallen. In abgelegenen Gegenden kommt das schon mal vor. Ich war mal am Strand und konnte zwei Tage lang niemanden erreichen – am Ende musste ich den Handyservice übers Festnetz anrufen.«
»Oder das Handynetz ist wegen des Unwetters überlastet.«
»Ja, so wird es sein. Versuch wenigstens Shane zu erreichen. Oder sein Büro«, riet Rinda ihr und stellte die Heizung höher. Sie musste den Motor fast die ganze Zeit laufen lassen, denn sobald sie ihn abstellte, sank die Temperatur in dem kleinen Subaru.
»Mach ich. Wenn sich die Lage hier nicht bald bessert.« Sie behielt ihr Handy in der Hand und kämpfte gegen ihre Angst an.
»Ein Glück, dass ich keine schwache Blase habe«, bemerkte Rinda, als ein Abschleppwagen das Unfallfahrzeug, das die Straße blockierte, endlich an den Seitenstreifen zog und ein Polizist die wartenden Autos durchwinkte. »Und dass ich eine ausgezeichnete CD-Sammlung besitze.« Sie hörten Weihnachtsmusik, während sie warteten, bis sie endlich an dem sichtlich erschöpften Polizisten vorbeifahren konnten. Rindas kleiner Wagen kroch über die vereiste Straße. Der Sturm hatte kein bisschen nachgelassen, und die Räummannschaften kamen nicht gegen den massenhaften Schneefall an. Rinda nahm die CD aus dem Player und schaltete erneut das Radio ein. In den Nachrichten hieß es, in Lewis County seien bereits die meisten Straßen gesperrt.
»Das schlimmste Unwetter des Jahrhunderts«, bemerkte Rinda und schaltete das Radio aus. »Ist das nicht gerade noch das Tüpfelchen auf dem i?«
»Irgendwann muss es ja wieder aufhören«, erwiderte Jenna, die sich nicht halb so viele Sorgen wegen des Unwetters machte wie um ihre Familie. Wieder versuchte sie anzurufen, wieder ohne Erfolg. Sie gab sogar Carters Handynummer ein, doch er meldete sich nicht und sie hinterließ keine Nachricht. So schlichen sie langsam weiter durch den Schneesturm und hatten mittlerweile Jennas Haus fast erreicht.
»Das ist irgendwie verdammt gruselig«, bemerkte Rinda und presste die Lippen zusammen, während sie den Wagen vorsichtig die parallel zum Fluss verlaufende Straße entlangsteuerte. Immer wieder gerieten die Reifen ins Rutschen, fanden jedoch gleich wieder Halt. »Ich hoffe nur, dass Scott zu Hause ist und sich nicht in diesem Wetter herumtreibt.«
»Kannst du ihn nicht anrufen?«
»Meine Telefone sind sämtlich abhängig vom Strom, also werde ich keine Verbindung bekommen. Ich habe schon seit langem vor, mir ein ganz normales, altmodisches, ans Telefonnetz angeschlossenes Telefon zu besorgen, vergesse es aber immer. Es fällt mir erst wieder mitten im kältesten Winter seit fünfzig Jahren ein.«
»Und was ist mit seinem Handy?«
»Ich hab’s versucht, drei oder vier Mal, aber es schaltet sich immer nur seine Voicemail ein mit dem Versprechen, dass er zurückruft. Ja, toll.«
Eine Viertelstunde später, als gerade die letzten Töne von
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