Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
schützen, und ging über den verschneiten Parkplatz zu ihrem Jeep. Carter war nichts weiter als eines von vielen Beispielen für einen abgearbeiteten Gesetzeshüter, der zu viel gesehen hatte. Und was sonst wollte sie erwarten? Dass er ihr die Füße küsste, weil sie einmal ein Filmstar gewesen war?
Sie stieg in ihren Jeep und ermahnte sich, schnellstens auf den Boden der Tatsachen zurückzukommen.
»Ich komme am Mittwochmorgen. Früh.«
»Um sieben?«, fragte Dr. Randall und warf einen Blick auf die Uhr. Es war spät, schon fast elf Uhr abends. Er hatte bereits fast überall in seiner Wohnung das Licht gelöscht und wartete nur noch auf die Spätnachrichten im Fernsehen. Die Mattscheibe erleuchtete schwach sein Arbeitszimmer.
»Um sechs, wenn es Ihnen recht ist.«
Der Psychologe wollte einwenden, dass ein Termin zu dieser Uhrzeit zu früh sei, doch er hielt den Mund. Sollte der Mann seine Entscheidungen selbst treffen. Das gehörte zu seiner Persönlichkeit. Ein Individuum, darauf bedacht, stets alles unter Kontrolle zu haben, was ihm aber nicht immer gelang. Oh, nach außen hin wirkte er ruhig und entschlossen, ein Mann, der wusste, was er wollte. Macho-Typ. Doch im Inneren … Das war eine völlig andere Geschichte.
Und zwar eine höchst interessante.
Nicht zum ersten Mal war Randall versucht, die Sitzung heimlich aufzuzeichnen. Das hier war Stoff für ein ganzes Buch. Doch er hatte sein Wort gegeben. Und bisher hatte er noch nie gelogen oder im Widerspruch zu seinen persönlichen Moralvorstellungen gehandelt.
Er stand zu seinem Wort.
Aber wäre es nicht ein gefundenes Fressen für die Presse?
Oder die Polizei? Der würde es doch maßlose Freude bereiten zu erfahren, was Dr. Emerson Randall über seinen Klienten wusste.
Das war das Heikle an seinem Beruf, dieser Zwiespalt. Subjektive Wahrheit contra Realität. Und was war überhaupt die Realität? Es gab unzählige philosophische Abhandlungen darüber, was real war und was nicht.
Dann war da noch der ethische Aspekt.
Sehr interessant.
Er spürte, wie die Winterkälte durch die Wände seiner Wohnung drang, und lächelte. Im Gegensatz zu seinem Klienten mochte er die Kälte, er mochte den Wechsel und die Verschiedenheit der Jahreszeiten, mochte er sogar Schnee und Eis. Sie hatten irgendwie reinigende Wirkung, und die Gewalt der Elemente, die Macht von Mutter Natur, die Kraft Gottes oder wie immer man es bezeichnen mochte, lehrte den Menschen Demut, wies ihm auf diesem sich schnell drehenden Planeten seinen Platz zu.
Die Winterkälte war gut.
Er hielt immer noch den Hörer in der Hand, zwang sich, ihn loszulassen. Nachdenklich rieb er sich den Kinnbart, während die Standuhr im Flur die volle Stunde schlug.
Seine Verantwortung galt dem Klienten.
Doch während er da auf dem dicken Teppich stand, überlegte er, wem es denn, falls sein Patient ums Leben kam – und angesichts seiner Lebensumstände konnte das jederzeit passieren –, schaden würde, wenn er dieses Buch schrieb.
Er zog einen kleinen Rekorder hervor, drückte die rote Taste und begann auf Band zu sprechen. Ein paar Anmerkungen, mehr würde er zu diesem Fall nicht aufzeichnen, nur so als Gedächtnisstütze. Und dann würde er die Minikassette in seinem Safe einschließen. Er würde die Informationen nicht für eigene Zwecke nutzen.
Jedenfalls nicht, solange sein Klient noch lebte.
18. Kapitel
S heriff? Montinello hier. Oben am Catwalk Point findet anscheinend eine kleine Party statt.«
»Eine Party?«, wiederholte Carter, bremste ab und wendete rasch in drei Zügen auf der von Schnee geräumten Straße. Im Augenblick schneite es nicht, doch laut Wetterbericht war es wieder nur eine kurze Verschnaufpause.
»Teenager.«
»Großartig. Halte sie fest. Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»Müsste ich nicht die Staatspolizei benachrichtigen? Es ist ihr Tatort.«
»Ich werde Sparks informieren.« Er legte auf und fluchte hemmungslos. Diese bescheuerten Kids. Was fiel ihnen ein, mitten in der Nacht den Schauplatz der Ermittlungen in einem Mordfall zu beeinträchtigen? Er schaltete herunter und bog ins Vorgebirge ab. Es hieß ja immer, es zöge den Täter zurück an den Ort seines Verbrechens. Vielleicht traf das manchmal sogar zu, aber Carter hatte es noch nicht erlebt. Wer würde so dumm sein? Teenager, versteht sich.
Einer von ihnen könnte mit dem Mord zu tun haben oder wissen, wer der Täter ist. Vielleicht hatten sie etwas gehört, was nicht für ihre Ohren bestimmt war
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