Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
teilte. In der hinteren Ecke saß Zoey Trammel, eine autistische Frau aus A Silent Snow , in demselben Schaukelstuhl, der im Film zum Einsatz gekommen war, und jetzt war Faye Tyler, eine auf sexuelle Abenteuer versessene Frau aus den Siebzigern, in seinen Händen fast zur Vollendung gediehen. Wie viel er in so kurzer Zeit bereits erreicht hatte!
Und immer noch blieb ihm so viel zu tun. Er musste sich möglichst bald der Leiche und des Wagens entledigen. Er hatte einen Plan, musste aber noch ein Weilchen warten, bevor er Faye … nein … nicht Faye, sondern den Kadaver, der die Form für sein Kunstwerk abgegeben hatte, wegbrachte. Er musste ihn in dem Kleinwagen zu den Klippen über dem Columbia River fahren und ihn in den Abgrund stürzen. Der Wagen würde, wenn überhaupt, erst nach langer, langer Zeit gefunden werden. Bis dahin würde die Leiche im Inneren nach und nach im Wasser des Flusses verwesen.
Sie loszuwerden war einfach. Alle Beweise würden vernichtet sein.
Kein Dreck. Kein Ärger.
Das Formen und Malen der Gesichter hingegen, das war der schwierige Teil seiner Mission. Die Züge wollten ihm einfach nicht gelingen, so sehr er sich auch anstrengte. Anscheinend war es unmöglich, Jenna Hughes’ Schönheit zu reproduzieren. Die Gesichter, die er von Frauen, die ihr ähnlich waren, nachbildete, gerieten nie so, wie er es sich wünschte. Irgendwie wirkten die Abbilder billig und amateurhaft.
Finster betrachtete er die Maske in seiner Hand, gab sich noch größere Mühe und spürte, wie ihm trotz der Kälte Schweiß auf die Stirn trat. Mit sicherer Hand umpinselte er die Augenhöhle und zog einen dünne schwarze Linie am Lid entlang, wo später die Wimpern angebracht wurden. Er stellte sich vor, wie sein Werk aussehen würde, wenn er das Auge, die perfekte Nuance von Grün, eingesetzt hatte. Die Perücke lag schon bereit, genau die Frisur, die Jenna als Faye Tyler getragen hatte: ein kinnlanger Bob mit fransigem Pony, der bis auf die Augenbrauen fiel.
Er hielt einen Moment lang inne, legte den Pinsel zur Seite und griff nach der Fernbedienung. Wie schon hundert Mal zuvor schaltete er den in der gegenüberliegenden Wand eingelassenen Fernseher mit dem großen Bildschirm ein und suchte auf der DVD von Bystander , die bereits eingelegt war, die gewünschte Szene. Er fand sie problemlos: eine Nahaufnahme von Jenna Hughes’ wunderschönem Gesicht. Da war sie, blickte direkt in die Kamera, ein erotisches, verführerisches Funkeln in den Augen, den Hauch eines Lächelns auf den weichen rosa Lippen …
Sein Puls beschleunigte sich, als er sich vorstellte, sie sähe ihm direkt in die Augen. Flirtete mit ihm. Reizte ihn. Lockte ihn. Sie wollte ihn. Ohne den Blick vom Bildschirm zu lösen, drückte er die Abspieltaste. Sah, wie sie lässig das Haar zurückwarf, sich umdrehte und langsam davonging. Die Kamera war auf ihre Gesäßbacken unter einem schwingenden leichten Rock gerichtet und auf ihre Beine, die durch extrem hohe Absätze betont wurden.
Er zitterte innerlich.
Leckte sich die Lippen.
Wartete.
Dann war der Moment gekommen. Die Sekunde, für die er lebte.
Langsam drehte Faye Tyler den Kopf und blickte über die Schulter zurück.
Er drückte die Pausentaste. Studierte diesen auffordernden Blick und spürte, wie seine Männlichkeit reagierte, wie das Blut heftig durch seine Adern pulsierte.
Sie war so perfekt.
Tränen traten ihm in die Augen, während er ihre schlichte Schönheit bewunderte.
Leise gelobte er: »Du bist meine Frau. Heute. Morgen. Für immer. Ich komme dich holen.«
21. Kapitel
D ie gute Nachricht war die, dass der Schneesturm nachgelassen hatte. Die Temperaturen waren gestiegen, sie bewegten sich laut der Digitalanzeige in seinem Chevrolet Blazer um den Gefrierpunkt.
Die schlechte Nachricht war, dass eine weitere Kaltfront, schlimmer als die erste, im Anzug war und der Schnee also vorerst nicht schmelzen würde. Hinzu kam, dass nach fast einer Woche immer noch keine Spur von Sonja Hatchell gefunden worden war. Er bezweifelte, dass sie noch lebte, wenngleich er das Lester gegenüber niemals zugegeben hätte. Zumindest jetzt noch nicht.
Während Carter die kurvenreiche Straße nach Falls Crossing entlangfuhr, hörte er den Polizeifunk. Die Heizung in seinem Chevrolet Blazer war auf höchste Stufe gestellt. Er hatte zwei Mal täglich die Staatspolizei angerufen und war von Sparks auf dem Laufenden gehalten worden, aber es gab einfach nichts Neues. Sie hatten immer noch keine
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