Sanfte Eroberung
weiter Ferne zu liegen.
Verdammt, vielleicht war seine Entscheidung, Lily nicht allzu offen zu umwerben, ein Fehler gewesen. Er hatte sich zurückgehalten, um ihr Zeit zu geben, sich über ihre Gefühle für ihn klarzuwerden. Derweil redete er sich ein, er könnte ihren Widerstand verringern, indem er sie weniger unter Druck setzte. Seine Strategie konnte allerdings auch vollkommen wirkungslos bleiben.
Heath verdrängte seine Enttäuschung und wandte sich wieder seiner charmanten Begleitung zu. So nahe er Eleanor auch stand, wollte er nicht mehr mit ihr über seine Beziehung zu Lily sprechen.
»Du verblüffst mich gleichfalls, Nell«, sagte er, um das Thema zu wechseln.- »Seit wann trottest du lieber im Schneckentempo und plauderst über die Ehe, statt einen schönen Galopp zu genießen? «
»Ah, eine sehr treffende Bemerkung! «, antwortete Eleanor und fasste ihre Zügel fester.
»Wollen wir bis zum anderen Ende des Sees um die Wette reiten? «, fragte er.
»Und ob! « Mit diesen Worten schlug Eleanor ihrem Pferd die Fersen in die Seiten und ließ den amüsierten Heath in einer Staubwolke hinter sich. Auch hierin ähnelte sie Lily.
Am Nachmittag suchte er Lily auf, um ihr von Eleanors Fortschritten zu berichten: Peg sollte am nächsten Morgen zu einem Vorstellungsgespräch bei Madame Gautier erscheinen. Als sie in den Salon gerufen wurde, um die Neuigkeit zu erfahren, war Peg überglücklich. Sie dankte Heath gerührt.
Bettys Reaktion hingegen war zunächst eine ganz andere. Sie wirkte nervös und verunsichert, als Heath sie nach ihren Zukunftswünschen fragte, und antwortete nur stockend. Ja, My Lord, eine Heirat wäre eines Tages gewiss sehr schön, und, ja, sie würde sehr gern zurück aufs Land gehen. Aber fürs Erste wünschte sie sich nichts als Sicherheit und die Möglichkeit, ihr Kind ohne die Angst auszutragen, wieder in der Gosse zu landen. Als Heath ihr anbot, auf dem Anwesen seiner Familie zu leben, wo sie der Haushälterin unterstehen würde, starrte Betty ihn eine Weile mit großen Augen an, ehe sie in Tränen ausbrach.
Sogleich nahm Lily sie tröstend in die Arme, doch Betty entwand sich ihr und ging vor Heath auf die Knie.
»Ach, My Lord! «, schluchzte sie, ergriff seine Hand und küsste sie inbrünstig. »Sie sind ein Heiliger, genau wie Miss Loring. Sie werden es nicht bereuen, dass Sie mich aufgenommen haben, das schwöre ich! Und ich zahle Ihnen jeden Penny zurück, irgendwie schaffe ich das.«
Verstört ob ihres überbordenden Dankes, zog Heath das Mädchen behutsam wieder hoch und versicherte Betty, dass er keine Erstattung wollte und es vollkommen ausreichte, wenn sie seiner Haushälterin zur Hand ging.
Als Betty schließlich schniefend den Salon verlassen hatte, stand Lily da und sah Heath an.
»Ich kann dir gar nicht genug danken, Heath«, sagte sie leise.
Unterdessen verlor Heath sich in ihren großen dunklen Augen und rang mit dem Wunsch, sie in die Arme zunehmen. »Reden wir nicht davon. «
»Oh, wir müssen sehr wohl darüber reden! Es ist gut möglich, dass du ihr das Leben gerettet hast, und das des Babys sogar ganz gewiss.« Lily zögerte. »Eine solche Großzügigkeit ist rar, vor allem bei einem Adligen.«
Wieder einmal machte sie seinen Stand schlecht. »Wie es scheint, bist du im Begriff, mich zum Philanthropen zu machen«, erwiderte er leichthin.
Lily neigte ihren Kopf und betrachtete ihn eingehend. »Das wäre durchaus etwas Gutes. Denk doch nur, Heath, du könntest deinen enormen Reichtum sinnvoll einsetzen. Es gibt so viele Menschen, die davon profitieren könnten ... ganz zu schweigen von der immensen Befriedigung, wenn man freundlich zu anderen ist. «
Ungleich befriedigender war, ihre Achtung zu gewinnen, dachte Heath. Wenn Lily ihn so ansah, war er bereit, all sein Vermögen hinzugeben.
Natürlich barg die Vorstellung, ein gemeinsames Ziel mit Lily zu verfolgen, einige Reize. Sie hatte ihm vorgeworfen, dass er den Helden spielen wollte, und das zu Recht. In ihren Augen wollte er ein Held sein. Und er wollte das Recht haben, ihre Drachen zu töten.
»Bleibst du zum Tee? «, fragte sie sanft.
Er hatte nicht vorgehabt, zu bleiben, stimmte aber dennoch zu. Und als Lily in Fleurs Privatsalon vorausging, hallten ihm ihre Worte durch den Kopf, seinen Reichtum sinnvoll einzusetzen.
Bisher war ihm dieser Gedanke noch nie gekommen - zweifellos, weil er zu sehr mit seinen eigenen Wünschen und Zielen beschäftigt gewesen war.
Von Geburt an genoss Heath
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