Sanfter Mond - Hawthorne, R: Sanfter Mond - Dark Guardian - 02 Full Moon
sah so aus, als würde es ihnen gelingen.
Ohne Rafe wirkte die Höhle, die uns als sicherer Rückzugsort gedient hatte, ungeheuer bedrohlich. Jedes Mal wenn ich ein Geräusch hörte, erstarrte ich und machte mich zum Angriff auf das, was mir draußen auflauern mochte, bereit. Die Minuten vergingen so langsam wie Stunden.
Gedankenverloren machte ich mich daran, das Chaos zu beseitigen, wobei ich die Ohren offen hielt, für den Fall, dass sich jemand näherte. Manchmal überkam mich Zorn, und ich schleuderte Kleider, Decken und Lebensmittelpackungen
in die Kisten, als wären sie die Feinde. Dann überkam mich tiefe Traurigkeit, und ich verwandte große Sorgfalt darauf, die Decken zusammenzufalten und die übrig gebliebenen Dosen aufzureihen, damit andere Gestaltwandler alles geordnet vorfanden, wenn sie dieses Versteck nutzten.
Dann wurde mir jedoch klar, dass wir diesen Ort wahrscheinlich aufgeben mussten. Er war nicht mehr sicher.
Ich mochte kaum an meine Freunde denken. Der Schmerz, den ich für sie empfand, war quälend. Ich fühlte mit Lucas, weil er als unser Rudelführer immer darauf bedacht war, das Beste für uns zu tun. Mit Kayla, weil sie gerade erst in unsere Welt gekommen war und auf diese schreckliche Weise willkommen geheißen wurde. Und mit Connor, weil ich mir nicht vorstellen konnte, ihn nicht mehr in meinem Leben zu haben.
Als ich eine Dose Red Bull entdeckte, seufzte ich wehmütig. Connor war ganz verrückt nach dem Zeug, und ich beschloss, die Dose in den Rucksack zu stecken, damit er sich nach seiner Rettung stärken konnte.
Als ich mich umdrehte, um nach dem Rucksack zu suchen, sah ich einen Schatten im Eingangsbereich der Höhle. Ich stieß einen kurzen Schrei aus, bevor ich die Gestalt erkannte. Eine Woge der Erleichterung erfasste mich.
»O Gott, du hast mich zu Tode erschreckt, Rafe«, schimpfte ich, während ich auf ihn zueilte und ihm die Arme um den Hals schlang. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Du warst so lange weg.«
Er zog mich an sich. »Tut mir leid, Lindsey. Ich habe sie gesehen und beschlossen, ihnen eine Weile zu folgen. Ich wollte wissen, ob es ihnen gut geht. Connor und Lucas sind
beide ein bisschen angeschlagen. Wahrscheinlich haben sie sich gewehrt. Und sie sehen wütend aus. Mason wird schon merken, wie unangenehm es werden kann, wenn sie wütend sind.«
Ich lächelte bei der Vorstellung, wie Connor und Lucas nach Masons Fersen schnappten, während sie hinter ihm hertrotteten und den richtigen Moment abwarteten, um es ihm heimzuzahlen. Es war ein schönes Gefühl zu lächeln.
»Außerdem war es ganz schön schwierig, ein Kaninchen zu fangen, das ich nicht fressen durfte. Hat länger gedauert, als ich dachte.«
Ich hätte ihn am liebsten nie wieder losgelassen, aber dies war der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Romantik. Unsere Freunde waren da draußen. Sie mussten verängstigt sein und sich fragen, ob jemals Rettung kommen würde. Hätte ich Rafe nicht begleitet, wäre ich bei ihnen. Es schien nicht angebracht, Glück zu empfinden, aber gleichzeitig wollte ich meine Gefühle nicht von Bio-Chrome diktieren lassen.
Ich wand mich aus Rafes Umarmung und deutete auf die Höhle. »Ich habe versucht, Ordnung zu schaffen, aber wahrscheinlich ist das sinnlos.«
Rafe strich mit dem Daumen über meine Wange, und diese sanfte Berührung reichte aus, um mich an meine Schwellung zu erinnern. Ich hatte absichtlich nicht nach einem Spiegel gesucht, weil ich nicht wissen wollte, wie schlimm mein Auge nach dem gestrigen Kampf aussah. Es war schwer zu glauben, dass seitdem erst ein Tag vergangen war.
»Sinnlos nicht«, sagte Rafe. »Wir müssen es sowieso irgendwann aufräumen, wenn wir alles in einen anderen
Schlupfwinkel schaffen wollen.« Er warf mir einen liebevollen Blick zu. »Außerdem müssen wir uns heute Nacht ausruhen, bevor wir die Verfolgung aufnehmen.«
Zusammen begannen wir, Dinge in Kisten zu verstauen, die wir an den Wänden aufstapelten.
Ich musterte Rafe von der Seite. Er konzentrierte sich darauf, Sachen in eine Box zu packen. Sein dunkles Haar umrahmte sein gut geschnittenes Gesicht, in seinen Zügen spiegelte sich Entschlossenheit. Connor und Lucas waren nicht die Einzigen, die wütend waren. Rafe hielt seine Gefühle für gewöhnlich unter Verschluss, als hätte er Angst, er könnte sie nicht wieder zurückdrängen, wenn er sie erst einmal herausgelassen hatte. Nur am gestrigen Abend hatte er sie kurz an die Oberfläche kommen lassen, als er
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