Sanfter Mond über Usambara
uns freuen! Ich bringen Gästen Limonade. Kommt herein! «
Während Charlotte sich bedankte und in den schmalen Flur trat, rief die Angestellte mit lauter Stimme mehrere Namen, doch nur ein dünnbeiniger, alter Mann im zerrissenen Jutekittel kam hastig aus dem Nebengebäude gehumpelt und machte Anstalten, sich gemeinsam mit Johannes Kigobo und Jonas Sabuni um die Reittiere zu kümmern.
Der Wohnraum war nicht allzu groß und ähnelte den Wohnzimmern aller Plantagenbesitzer. Es gab einen gemauerten Kamin, einen Tisch mit mehreren Stühlen, Regale an den Wänden, in denen allerlei Krimskrams, aber kaum ein Buch stand, dazu ein aufwendig geschnitztes Vertiko aus dunklem Holz, vermutlich aus Deutschland mitgebracht. Die gerahmten Bilder an den Wänden zeigten deutsche Landschaften, auf dem Vertiko standen Photographien, Eltern und Verwandte aus der Heimat. Die schwarze Angestellte war inzwischen verschwunden, wahrscheinlich meldete sie Frau Manger die Ankunft der Gäste. Charlotte ärgerte sich, weil sie nicht ausdrücklich gesagt hatte, sie brauche ihre Herrin ihretwegen nicht aufzuwecken. Schließlich hätte sie auch ein wenig warten können. Unzufrieden setzte sie sich auf die Kante eines Ohrensessels, ein ziemlich steifes Möbelstück mit grünem Bezug, das dicht neben dem Kamin stand. Es war keine gute Idee gewesen, so überstürzt hierherzureiten, sie kam ungelegen und störte die junge Frau in ihrem Kummer.
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Der rotbraune Löwenhund war hinter ihr hergelaufen und beschnüffelte nun ausgiebig ihre Schuhe, dann schnaubte er so heftig, dass seine Lefzen flatterten, und ließ sich vor ihr auf dem Fußboden nieder. Nicht etwa langsam und bedächtig, sondern mit einem kräftigen Plumps, dem ein wohliges Ächzen folgte. Was für ein seltsamer Bursche.
» Du gehörst wohl auch nicht hierher, wie? Deinem Pelz nach solltest du irgendwo in Norwegen wohnen… «
Er schaute aus runden Augen zu ihr auf, schob dann den Löwenkopf ein wenig vor und legte seine feuchte Schnauze auf ihre Schuhe. Charlotte, die sein Verhalten nicht recht zu deuten wusste, blieb in steifer Haltung sitzen und wagte nicht, ihre Füße zu bewegen, bis sie bemerkte, dass der Hüter des Hauses schon wieder eingeschlummert war.
» Schnapsi! Großer Gott– entschuldigen Sie bitte. Schnapsi, steh auf! «
Der Hund regte sich um keinen Zentimeter. Charlotte wunderte es nicht, dass er auf einen so albernen Namen nicht reagierte– wie konnte man einen so kräftigen Burschen nur » Schnapsi « nennen?
Frau Manger kam Charlotte sehr jung vor– fast wie ein Mädchen, das gerade das Pensionat verlassen hatte. Bestimmt war sie hübsch, wenn sie sich ein wenig zurechtmachte, doch jetzt hatte sie das dunkelblonde Haar achtlos am Hinterkopf zusammengerollt, und ihr blasses Gesicht mit dem spitzen Kinn schien zu schmal für die großen, umschatteten Augen. Sie sprach mit einer hohen Kinderstimme, die in der Aufregung schrill klang.
» Verzeihen Sie, dass ich Sie so schlecht empfange… «
» Ich bitte Sie… Ich weiß doch, in welcher Lage Sie sich befinden. Ich will Sie nicht lange belästigen… «
» Aber nein. Ich freue mich über Ihren Besuch. Es ist angenehm, mit jemandem reden zu können. Hier gibt es nur die Schwarzen, und mit denen kann man sich doch nur zum Teil verständigen…Weiße Gäste sind selten, vor allem Frauen. Sie sind Frau Dr. Johanssen, nicht wahr? Ich habe von Ihnen gehört… «
Der Druck ihrer kühlen Hand war erstaunlich fest. Charlotte stellte fest, dass sie trotz des warmen Wetters ein wollenes Tuch um die Schultern gelegt hatte. Sie verstand das gut– Einsamkeit und Kummer konnten einen Menschen selbst bei Wärme frösteln lassen.
Die schwarze Angestellte brachte einen Krug Limonade, und Frau Manger holte die guten Kristallgläser aus dem Vertiko, ein kostbarer Schatz, wie sie stolz betonte, der Teil ihrer Mitgift gewesen sei.
» Ich heiße Ida– darf ich Sie Charlotte nennen? «
Ida Manger war gesprächig und schien tatsächlich froh, sich einer Weißen anvertrauen zu können, offenherzig erzählte sie Charlotte ihr halbes Leben. Sie habe ihre Kindheit in Frankfurt am Main verbracht, der Vater sei Beamter bei der Schulbehörde. Ja, sie habe schon früh davon geträumt, der Enge zu entfliehen und auszuwandern, ihre Brüder seien beide in Amerika, der eine besitze eine Straußenfarm, der andere handele mit landwirtschaftlichen Geräten in Iowa. Ihre Eltern seien damals
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