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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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einen?«, fragten sie und deuteten auf Sascha.
    »Nein, das ist ein Zeuge. Schreib ihn auf!«, befahl der Ältere dem Kollegen mit der Maschinenpistole. Der zog ein dickes Notizbuch aus der Innentasche heraus.
    »Hast du einen Ausweis?«, fragte er Sascha.
    »Nein, wozu soll ich ihn denn zur Alten mitnehmen. Sie nimmt mich auch so, ohne Pass.«
    Das zweite Auto fuhr in die Richtung, in die Sascha gezeigt hatte.
    »Familienname?«, wurde er gefragt.
    Sascha nannte den Namen eines Armeekumpels, eines Sibiriers. Wohnadresse und Telefonnummer erfand er.
    »Vielleicht kommst du mit uns mit?«, fragte der Milizionär.
    »Wozu?«
    »Die Gesetzesbrecher identifizieren.«
    »Ich hab ja nichts gesehen, habe ich gesagt«, antwortete Sascha lächelnd, der sah, wie gerade das Auto, in das Oleg die Stühle geworfen hatte, heranfuhr.
    Aus dem Auto sprang der Fahrer, er schlug die Tür mit einem Knall zu, vor Wut ganz rot – das war sogar im Licht der Straßenlaternen sichtbar.
    »Was steht ihr da herum?«, schnauzte er die Miliz sofort an. »Einfangen muss man die!«
    »Was schreien Sie so, Bürger?«, fragte der Leutnant ruhig.
    »Siehst du die Scheibe?«, zeigte der Kerl mit dem Finger auf sein Auto. »Siehst du das Standlicht?«
    Über die Autoscheibe zog sich ein Sprung in Gestalt eines lächelnden Menschen, dessen eine Gesichtshälfte gelähmt war. Da war kein Standlicht, ja.
    »Ich sehe es, na und?!« Der Leutnant verstand nicht.
    »Ich bin hergefahren und habe diesen Teufeln zugerufen: ›Was ist los mit euch, seid ihr übergeschnappt?‹ Ich bin aus dem Auto ausgestiegen – sie warfen Ziegelsteine, einen Stuhl und Eisenstangen auf das Auto. Da liegt der Stuhl auf der Straße! Habt ihr das nicht gesehen? Und die Eisenstange liegt auch dort! Kommt mit, ich zeig die Schrammen!«
    »Wir gehen gleich. Habe ich richtig verstanden, dass Sie alles gesehen haben?«
    »Scheiße, wovon rede ich denn? Ich hab’s gesehen! Die hätten mich umbringen können!«
    Der Kerl, bemerkte Sascha, war der bekannte Typus des unverhofft und erst vor Kurzem reich gewordenen Mannes – gleichermaßen unverschämt wie unwirsch, nicht imstande, in einer komplizierten Situation eine adäquate Form der Kommunikation an den Tag zu legen, weil es ihn zwischen Frechheit und Hysterie ständig zerriss. Selbst die Bullen sahen neben ihm anständig aus.
    »Wie viele waren es?«, fragte ihn der Leutnant.
    »Drei.«
    »Und du sagst – zwei?«, wandte sich der Leutnant an Sascha.
    »Ich habe zwei gesehen«, antwortete er, nach wie vor lächelnd, und lenkte seinen ehrlichen Blick vom Milizionär auf den Kerl mit dem ausländischen Auto. »Sie sind doch weggelaufen, als ich mich näherte.«
    »Irgendwelche Merkmale im Gedächtnis geblieben?«, fragte der Leutnant den Kerl.
    Der stand da, zog die Stirn zusammen, erinnerte sich.
    »Alle waren kleiner als ich, genau«, sagte er und beschrieb Oleg mehr schlecht als recht, erinnerte sich an dessen Quaste, blaue Jeans, eine kurze Jacke und eine Visage mit ausgeprägten Backenknochen und kleinen, bösen Augen. Bei Posik erinnerte er sich nur an den kleinen Wuchs und vielleicht die dunkle Hosen.
    »Er hatte eine Jacke mit Außentaschen, und mit Kapuze. Mütze hatte er keine. Eine hellblaue Jacke.«
    Bei Sascha machte der Kerl eine Pause. Er dachte nach und dachte nach, konnte sich aber an nichts erinnern.
    »Ich habe ihn nicht gesehen«, sagte er.
    Er schwieg einen Moment und fügte hinzu:
    »Dunkle Jacke, eine Strickmütze … An das Gesicht erinnere ich mich nicht. Die Haare waren wohl dunkel. Schwarzhaarig. Oder dunkelbraun.«
    »Er hatte doch eine Mütze?«, fragte der Leutnant.
    »Ich sah den Hinterkopf. Er hat Tische herausgerissen, er stand mit dem Rücken zu mir. Mit der Eisenstange in den Händen.«
    »Hat also der die Eisenstange in das Auto geworfen?«
    »Ich kann mich nicht erinnern … War wohl der … Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Was war weiter?«
    »Sie sind weggerannt«, erklärte der Kerl, jedes Wort um ein paar Flüche ergänzend, die aus seinem Mund besonders scheußlich klangen.
    »Haben sie Ihnen körperliche Verletzungen zugefügt?«
    »Nein, die sind sofort weggerannt. Sie haben alles weggeworfen, und ab in den Hof« – abermals Flüche.
    »Wollten Sie die etwa festhalten?«
    Der Kerl nickte unbestimmt. Offenbar wollte er nicht als Feigling gelten.
    »Und Sie haben sie mit dem Auto nicht eingeholt?«, fragte der Leutnant rasch.
    »Sie sind in die Höfe verschwunden, was soll ich zum

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