Sankya
übergeschnappt, oder was, Scheiße …«
»Los, fahr einfach, die Schreierei reicht jetzt …«, sagte Sascha müde.
»Ich weiß auch ohne dich, was ich tun muss. Kapiert? Ich lass euch jetzt aussteigen und …« – es schüttelte sie ordentlich durch, der Bus geriet mit den Vorderrädern in einen Graben und der Motor starb ab.
Vor ihnen lag fester, glatter Schnee. Ob darunter ein Weg weiterführte, konnte man nur an einem Anzeichen erraten – entlang des zwischen Tannen und Bruchholz sich krümmenden schmalen Streifens standen Bäume.
Der Fahrer sprang hinaus, ließ die Tür offen. Er ging einige Schritte den Weg voraus und sank sofort fast bis zu den Knien ein, schimpfte und kroch zurück.
Er setzte den Motor in Gang, schaltete in den Rückwärtsgang. Unter den Rädern heulte, dröhnte und winselte es.
Sie kamen aus dem Graben heraus. Der Fahrer legte den Leerlauf ein, holte eine Zigarette heraus und sagte: »Ich fahre nicht weiter.«
»Zum Teufel mit dir«, sagte Sascha.
Er kroch hinaus, merkte, dass es nicht mehr schneite. Er stand eine Sekunde, glotzte den Wald an. Dann riss er abrupt die Tür auf.
»Steig aus, Mam, er fährt nicht weiter.«
»Warum denn? Söhnchen …«, sagte die Mutter. »Was sollen wir jetzt tun? Und der Vater?«
»Wir ziehen ihn, jetzt ist es nicht mehr weit.«
»Was heißt, nicht mehr weit …«
»Ich sagte, wir ziehen ihn.«
Der Fahrer ging hinter Sascha und schaute über die Schulter nach hinten.
»Was jetzt, fahren wir in die Stadt? Ich fahre nicht weiter.«
»Wir bezahlen«, sagte die Mutter, die den Fahrer entsetzt anblickte. »Wo sollen wir denn hin mit dem Sarg?«
»Ich sage, fahren wir in die Stadt. Ich will kein Geld. Einen neuen Autobus könnt ihr mir auch nicht zahlen. Aber ich werde mit eurem Toten nicht im Wald übernachten. Ist das klar? Fahrt ihr in die Stadt?«
»Sollen wir den Vater etwa hin und her fahren?«, fragte die Mutter
»Na dann, jetzt ist Schluss …«
Der Fahrer öffnete unter Geschepper die hintere Tür des Wagens – was bedeutete: »Ausladen!« Dann setzte er sich nach vorne. Dort zündete er sich schimpfend eine neue Zigarette an.
Die Mutter begann zu weinen.
»Was heulst du denn?«, hätte Sascha beinahe geschrien. »Das Schlimmste ist schon passiert! Wozu jetzt flennen? Die Wölfe werden uns schon nicht fressen. Wir ziehen ihn, was anderes bleibt uns nicht übrig.«
»Zu zweit könnt ihr ihn nicht tragen!«, schrie die Mutter weinend.
»Ich sage dir: Wir ziehen ihn! Wir werden ihn ziehen. Es ist nicht mehr weit«, wiederholte Sascha noch einmal, und zwar für Besletow, denn er wusste genau, dass es bis zum Dorf noch fünfzehn Kilometer waren.
Sascha schob den Sarg knirschend ans Ende des Fahrzeuges.
»Wir haben auch noch das Essen für den Leichenschmaus«, jammerte die Mutter.
»Nimm, soviel du tragen kannst, den Rest lass dem da …« Sascha sprang runter.
»Los, ich nehme ihn bei den Beinen …«, sagte er voller Wut. »Und dann … irgendwie …«
»Ein Stuhl wäre gut«, sagte Besletow, »um das obere Ende des Sarges draufzustellen. Wir halten ihn sonst nicht.«
»Los, es gibt keinen Stuhl«, drängte Sascha.
Er zog den Sarg zu sich, der immer schwerer und schwerer wurde, machte einen Schritt zurück, in den Schnee, spürte die übermäßige Last und brennenden Schmerz in den Armmuskeln.
»Wenn’s geht, schneller!«, presste er hervor.
Besletow sprang, die Mutter stieg ungeschickt, hässlich und wie ein altes Weib herunter.
Sie nahmen das obere Ende des Sarges, zogen ihn heraus, die Mutter konnte allerdings nicht länger halten, ächzte, und ließ an ihrer Seite los. Sascha und Besletow konnten ihn natürlich auch nicht länger halten. Der Sarg kippte zur Seite.
Der unverschraubte Deckel öffnete sich, der Vater, schon gefroren, fiel fast in den Schnee.
Der Sarg war schmal – nur deshalb blieb der Verstorbene im Sarg. Aber der kurze Moment, als sich der Sarg zur Seite drehte, bot einen schrecklichen Anblick – das Profil des toten Vaters, die kleine Ikone, die von der Brust in den Schnee fiel, die reglosen, weißen Hände, die unter dem Überwurf zum Vorschein kamen.
Sascha und Besletow stellten den Sarg schnell wieder auf und schlossen den Deckel.
Die Mutter stand entgeistert da.
»Mam, ist er dir nicht auf die Füße gefallen?«, fragte Sascha, der den Deckel geraderichtete.
Sie schüttelte den Kopf – nein.
Sie hielten eine Weile inne.
»Wir müssen ihn vom Weg wegräumen. Damit der wegfahren
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