Sankya
Gesprächs zurück, und mit diesem Gefühl schlief er ein.
Er erwachte gutgelaunt, ging aus der stickigen Luft ins Freie hinaus. Er blinzelte und suchte in der Tasche nach der zerknautschten Zigarettenschachtel.
Heftig und kurz, nur einige Minuten lang – Sascha konnte nicht einmal ausrauchen –, ging ein Platzregen nieder, leise, leicht prasselnd, lustig und zart, als wäre ein vierjähriger Junge auf dem Fahrrad vorbeigefahren.
Sascha strich mit der Schuhspitze durch die frische Pfütze und ging seines Weges.
Er lief am Auto mit den Geheimdienstlern vorbei – Sascha kamen sie wie »Sojusniki« vor. Die Geheimdienstler schauten gelangweilt.
»Stehen sie die ganze Nacht hier?«, überlegte Sascha. »Sie wachen darüber, dass die ›Sojusniki‹ nicht nachts plötzlich aufbrechen, und die düstere Meute nur ja nicht zum Kreml zieht, mit Pflastersteinen bewaffnet …«
Eine Zeitlang ging Sascha ohne einen Gedanken im Kopf, musterte die Entgegenkommenden. In den sauberen und heimeligen Höfen wurden Hunde ausgeführt.
Er bog in einen der Höfe, setzte sich in eine Bretterbude, rauchte, blinzelte in der Morgensonne.
Die Hunde, denen er aus dem Augenwinkel zuschaute, waren wunderbar. In der Hauptstadt waren selbst tagsüber, zur Zeit des Gassi-Gehens, mehr Hunde als Kinder zu sehen. Hier, in dieser Stadt, kam es Sascha vor, gab es einige Tausend Hunde, die unvergleichlich besser lebten als einige Millionen Menschen. Und damit waren nicht jene gemeint, die mit riesigen, rostverschmierten und groben Arbeiterpranken in Mülleimern herumwühlen, sondern viele andere, die man am Stadtrand von Moskau und sehr viel häufiger noch weiter draußen antraf – aus dem letzten Loch pfeifende Weiber, bösartige Mannsbilder, all die dreckigen Kinder in selbstgenähten Fetzen.
Sascha grub die Hände tiefer in die Hosentaschen und fischte die restlichen Münzen heraus. Er zählte sie. Wenig. Aber auch gut. Er kam bis zum Nachtcafé, wo an der Kasse eine unausgeschlafene junge Frau stand, am Fenster saß eine müde Kellnerin.
Sascha bestellte sich Tee und Zitrone. Eine ganze Zitrone.
Er saß am Tisch, dreht die Frucht in der Hand, führte sie von Zeit zu Zeit ans Gesicht. Ein allzu trockener Geruch. Scharf. Nicht derselbe. Der war weich, feucht und heiß gewesen.
Das Handy, das auf dem Tisch lag, läutete. Sascha hatte den Klingelton noch nie zuvor gehört – und zuckte zusammen. Das Läuten war nervös, auf das Kreischen der schwer dröhnenden Haustelefone aus längst vergangenen Zeiten getrimmt.
Die Kellnerin drehte sich um. Sascha nahm ab, hörte Janas Stimme.
»Sascha?«
»Ja, Jana.«
»Die Unsrigen haben den Turm in Riga besetzt. Negativ ist dort. Er hat gerade angerufen. Sie sind im Inneren des Turms, und werfen Flugblätter runter.«
Sascha schwieg.
Freuen konnte er sich nicht – ihm wurde schwer ums Herz, wenn er daran dachte, was Negativ danach erwartete, schon bald, wenn sie sie alle schnappen.
Aber Jana, so schien es, war zufrieden. Obwohl auch sie schwieg.
Die Verbindung riss ab.
Sascha trank den Tee in einem Zug aus und ging auf die Straße hinaus.
Er ging das Trottoir entlang, presste in der Hand die Zitrone fest zusammen, als wollte er sie zerdrücken.
Er kam bis zur Uferstraße, blieb stehen, um aufs Wasser zu schauen, und konnte sich nicht entscheiden – sollte er sich über das Vorgefallene freuen oder traurig sein? Er hörte das Bremsgeräusch; am äußersten Rand seines Blickfeldes bemerkte er gerade noch die beiden riesigen, ziemlich starken Mannsbilder, die ihm blitzschnell die Arme auf den Rücken drehten und in das Auto zerrten.
Sascha schaute aus dem Fenster, hoffte noch, dass irgendwer gesehen hätte, wie er, ein freier Mensch, aus der morgendlichen Straße und der warmen Luft wegzerrt wurde, weg von den lärmenden Trolleybussen und dem Strom schmutzigen Wassers im Fluss. Er selbst sah hingegen nur, wie die zu Boden gefallene Zitrone über den Asphalt rollte.
Das Auto, ein normaler »Schiguli« , fuhr abrupt an. Sascha drehte sich um, schaute nach allen Seiten – nein, tatsächlich hatte es niemand bemerkt, niemand setzte ihnen nach.
Links und rechts neben Sascha saßen unfreundliche Männer mit vorgewölbter Stirn, beide hatten kleine Augen und glichen sich in ihrer Bulligkeit wie Brüder. Beide waren etwa siebzig Kilo schwerer als Sascha. Von beiden Seiten drückten sie ihre Körper gegen ihn.
Erst jetzt bemerkte Sascha, dass seine Hände in Handschellen lagen. »Gute
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