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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Schrei riss sein ganzes Leben durch die Gurgel hinaus, und Sascha geriet immer wieder so sehr außer sich, dass er sein Schreien wie aus der Entfernung hörte.
    Er war nur verblüfft, als dieser Schrei plötzlich um ein Vielfaches lauter wurde, als wäre die Lautstärke aufgedreht worden – und erst einen Augenblick später kapierte er, dass nur der Lappen von seinem Gesicht heruntergerutscht war.
    Mit dem Schrei spritzte Speichel davon, der merkwürdigerweise nicht mehr rot, sondern schon schwarz war. Einige Tropfen platschten auf das vordere Fenster.
    Der Graue dreht sich auf dem Vordersitz um und brüllte: »Stopft ihm das Maul, verdammte Scheiße, was führt ihr da auf – Herrgott nochmal …«
    Sie warfen den Lappen wieder auf ihn, doch der rutschte – als sie in einem Wäldchen angehalten hatten und Sascha aus dem Auto gezerrt wurde – wieder runter; sie warfen ihn schließlich weg – offenbar hatten sie nicht mehr die geringste Angst, dass irgendjemand sie hören könnte.
    Sie stießen Sascha zu Boden, der aber schaute in den Himmel, dort war es leer.
    Die Muschiki, von ihrer Männerarbeit ermüdet, steckten sich eine Zigarette an, stiegen manchmal von einem Fuß auf den andern, schauten zu Sascha rüber. Müde …
    Der Graue hockte sich neben Sascha – Sascha hörte plötzlich, wie die alten Knochen des Grauen knirschten.
    »Hör zu, Sanjok, du bist angekommen«, sagte der Graue. »Und möglicherweise wirst du von hier nie mehr wegkommen. Du verstehst das selbst alles ganz gut. Weiß du, wie viele wie du da schon vergraben wurden? Und keiner sucht sie. In diesem Land hat sich nichts geändert und es wird sich auch nie etwas ändern. Man muss es lieben und lassen, wie es ist. Verstehst du mich?«
    Sascha schaute nach oben.
    »Es wird bei euch da nichts rauskommen, ihr seid Grünschnäbel. Weißt du, dass Kostenko noch in Amerika angeworben wurde? Er ist ja ein Agent des CIA! Deshalb haben sie ihn auch eingesperrt, weil er für die spioniert hat. Nicht wegen eurer rothaarigen Urslaven haben sie ihn eingebuchtet. Nur hat es gerade nicht gepasst, sich mit Amerika zu streiten, deshalb haben sie diese Geschichte mit den Maschinengewehren erfunden. Kapiert?«
    Im Himmel tauchte auch jetzt niemand auf.
    »Ich habe sogar seine Aussage«, gab der Graue an.
    Sascha durchzuckte es plötzlich.
    »Also gut, kommt, schauen wir, was …«, bat er, spürte dabei, dass er nur unter Mühen sprechen konnte und kaum ein Wort herausbrachte. Der Mund schmatzte lächerlich und die Zunge geriet komischerweise in ein Loch, obwohl an dieser Stelle vor Kurzem noch ein Zahn gewesen war. »Wenn es eine gibt, dann mache ich auch eine Aussage.«
    »Du weißt also irgendetwas?«
    »Ich weiß nicht … Aber wenn Kostenko ein Agent des CIA ist … ich unterschreibe alles.« Sascha versuchte schnell zu reden, aber alles, was er sagte, kam so heraus, als würde mit einem Hammer gegen eine verfaulte Nuss geschlagen. Scharfe Splitter … ein Bruchstück des Zahns zerkratzte die Zunge … Und gut atmen ging überhaupt nicht.
    »Nirgendwohin gehen wir, Freund«, sagte plötzlich der Falsche. »Kannst dem Onkelchen aufs Wort glauben. Wir sind kein Taxi, das dich durch die Stadt kutschiert. Sprich kürzer, und du wirst nach Hause gehen. Dann kannst du die ganze Nacht lesen.«
    Bislang hatte Sascha den Eindruck, der Graue wäre der Wichtigste, aber es stellte sich heraus, auch der Falsche stand seinen Mann. Und die Anrede »Freund« aus seinem Mund klang wie eine Drohung. Schlimmer als »Scheißhaufen«.
    Trotzdem wandte sich Sascha noch einmal an den Grauen: »Fahren wir, schauen wir?«
    Der Graue winkte mit der Hand müde ab. Er stand auf und schlurfte zum Auto.
    »Stellst du dich blöd?«, fragte der Falsche Sascha. »Wir bringen dich hin und dann fängt alles von Neuem an? Los jetzt. Wir werden nicht einmal was dokumentieren. Und sagen auch niemandem was. Abgemacht?«
    »Abgemacht«, wiederholte Sascha, ohne ihm zu antworten, warum auch immer. Und schwieg. Im Mund hatte sich viel Speichel angesammelt, er hatte aber keine Kraft, auszuspucken. Er drehte den schmerzenden Kopf und ließ den Speichel einfach über das Kinn runterlaufen. Er floss in Linien, bahnte sich einen Weg zwischen den Flecken vertrockneten Blutes.
    Einige Sekunden lang schwiegen sie.
    »Und?«, fragte der Falsche.
    Sascha bewegte nicht einmal die Augen, er war zum Umfallen müde.
    Der Falsche schrie irgendwas, brachte sich in Rage, und zwar heftig. Er schlug ein

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