Sankya
fragte Sascha betont lustig, und schloss die Tür. Er blickt in den Spiegel, bleckte die Zähne, weil er sich noch immer nicht an seinen neuen Zahn gewöhnt hatte.
Sie schüttelte den Kopf und gab keine Antwort.
Sascha, irgendwie getrieben, ging ihr nach in die Küche – die Jungs hatten selbst ihre Teller abgewaschen, und die Mutter musste nur Brösel vom Tisch wischen und das Teewasser einschalten.
»Sascha, kann irgendetwas passieren?«, fragte sie, mit der Betonung auf dem letzten Wort.
Und die Frage bezog sich nicht darauf, worüber sie gerade in der Küche gelacht hatten, sondern auf etwas anderes, was die Mutter nur vage verstand.
»Aber Mama, was soll den passieren? Und wenn schon, es kommen höchstens irgendwelche Genossen in Uniform, die in meinen Sachen herumwühlen werden. Aber nur als vorbeugende Maßnahme.«
»Auch dafür muss man sich schämen, Sasch.«
»Wofür muss man sich schämen?«, tat Sascha erstaunt. »Für die muss man sich schämen. Da kommen bewaffnete erwachsene Männer. Und sie werden meine Zeitungen durchblättern und in der Tischschublade durchschnüffeln. Für die muss man sich schämen, für die.«
»Aber die gehen mich doch gar nichts an …«
»Wer geht dich denn was an?«
»Du, du gehst mich was an.«
»Aber Mama, das sind doch Tiere, du hast es doch selbst gesehen. Sie alle.«
»Das sehe ich.«
»Sie sollten bestraft werden!«
»Das stimmt.«
»Sie machen doch jeden Tag widerwärtiges Zeug.«
»Mein Sohn, es ist eine Sache, wenn die schreckliche Dinge tun. Aber es ist etwas anderes, wenn du das machst.«
Sascha wollte antworten, dass er nicht vorhätte, irgendetwas Verrücktes anzustellen, hielt aber inne, winkte mit der Hand ab und ging rasch hinaus.
Auf dem Weg zu seinem Zimmer wiederholte er gedankenlos: »Nichts möchte ich wissen, ich möchte gar nichts wissen.«
Er ließ sich auf das Bett fallen. Er erinnerte sich an Nega, Negativ. An sein Gesicht, das immer grimmig wirkte, mit den aufmerksamen Augen. Und er erinnerte sich an Posik.
»Ich hasse …«, sagte er, wollte dabei noch mit der Hand gegen die Mauer schlagen, tat es aber nicht. Auch so war klar, dass er – hasste und es sich nicht anders überlegen würde.
»Irgendeine Werotschka ruft an«, sagte die Mutter, die zu Sascha ins Zimmer schaute.
Sie ging seit Kurzem mit ihm, genauer – sie lief ihm nach: dünn, wenig sympathisch, aber jung, mit spitzen Schultern, geraden weißen Beinen … Sascha erinnerte sich an alles, wie sie sich durch den Kordon hindurch an seine Hand gehängt hatte, von den Männern in den Armeemänteln aber weggestoßen worden war …
Sascha hatte beschlossen, bei ihr in einem Schuppen ein Lager mit Fahnen und Transparenten anzulegen – früher wurde all
das bei Nega aufbewahrt, aber dessen Mutter hatte alle Parteiattribute wütend auf die Straße geworfen. Gott sei dank hatte Posik alles aufgesammelt. Als er die roten Banner und lange Stangen in den Schuppen schleppte, freundete sich Sascha mit Wera an.
Er nahm den Telefonhörer und fragte: »Was ist, Wera?«
»Darf ich kommen?«
»Komm.«
Anfangs hatten sie diesem Typen nicht vertraut, ihm war es aber offenkundig ganz egal – ob sie ihm vertrauten oder nicht. Er glaubte selbst auch niemandem. Er war nicht sehr groß, allerdings sehr stark; mit den fast runden Schultern und dem bulligen Nacken wirkte er, als wäre er nicht aus menschlichen, sondern aus den Muskeln eines Bären oder Stieres zusammengesetzt. Er schaute finster, das Grinsen war unangenehm – die Zähne entblößten sich fast unter Gewalt, die Augen blitzten – eine echte Zierde der Menschheit. Aber selbst diesen Gesichtsausdruck sah man bei ihm nur selten – und vor allem dann, wenn jemand aus der hiesigen, Saschkas Abteilung der »Sojusniki«, irgendeine übergeschnappte Aktion durchführte. Oleg gefielen solche Verrücktheiten. Er wurde Oleg genannt.
Er liebte Schlägereien, war aggressiv, genauer gesagt brutal. Er hatte in Tschetschenien gedient; nachdem er ausgemustert worden war, heuerte er bei der Sondereinheit der Bullen an, ging noch einmal nach Tschetschenien und riss fünf Einsätze herunter …
Dann wurde er aus der Sondereinheit hinausgeworfen – in seiner Heimatstadt hatte er bei einer Festnahme einen wichtigen Mann, der noch dazu Bruder des Staatsanwaltes der Stadt war, verprügelt. Der wichtige Mann selbst war zwar im Unrecht, doch niemand wollte die Sache aufklären.
Oleg war beleidigt, überhaupt war er unglaublich
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