Sanssouci
zwei, drei Minuten, in denen er Merle Johansson nicht gesehen hatte oder vielleicht doch (letztlich konnte er weder das eine noch das andere ausschließen), änderten seine Laune schlagartig. Er fühlte sich nun regelrecht ausgeglichen und lachte sogar auf seinem Fahrrad, weil er gerade alles so witzig fand.
Mai fuhr durch den Wald, an den Studentenhäusern vorbei, kam durch die Geschwister-Scholl-Straße, die Stadt mit ihren kleinen, alten, stilvollen Häusern (sie kamen ihm in diesem Augenblick bemerkenswert stilvoll vor) erschien ihm jetzt geradezu entzückend. Es war bei allem, sagte er sich, vielleicht doch eine schöne Zeit hier.Du hättest nur nicht diese Frau kennenlernen sollen. Da hatte wirklich ein unseliger Geist seine Hand im Spiel. Hätte damals Max auf diesem Filmfest in Berlin nicht jenen Freund dabeigehabt … hätte dieser Freund nicht später in Kreuzberg dieses Mädchen mitgebracht … wir wären uns nie begegnet … ja … und vor allem: hätte ich nicht von Anfang an diese Assoziation gehabt … diese Assoziation … in jede Liebe, in jedwede, redet man sich hinein … es ist eine Form der Autosuggestion … und Leute wie ich betreiben diese Autosuggestion gern … aber das erkennt man erst nicht … ich habe lange gebraucht, um es zu bemerken … mir kam alles immer natürlich vor … obgleich ich den Begriff »natürlich« eigentlich abgelegt zu haben glaubte … schon seit langer Zeit abgelegt … der Teufel hat meine Lebensgeschichte analysiert und mir seinen Knecht geschickt. Da ist ja Maja Pospischil! Oder ist es nicht Maja Pospischil? Wenn sie es ist, dann ist sie aber sehr hübsch geworden!
Auf eine Bionade
Maja Pospischil saß auf einem alten Hollandrad und bog gerade in die Lennéstraße. Sie trug ein kürbisfarbenes Kleid und ein grünes Halstuch, auf ihrem Rücken hatte sie einen Rucksack. Christoph Mai war im selben Augenblick wie sie auf der Kreuzung und bremste ab. Maja sah das, legte ihren Kopf in den Nacken und rümpfte die Nase. Sie hatte sich in letzter Zeit daran gewöhnt, daß ihr Männer nachschauten.
He, rief Mai. Maja erhob sich aus dem Sattel und trat in die Pedale, um an ihm vorbeizukommen. Er rief noch einmal. Maja! Sie erkannte ihn und hielt an. Christoph, bist du das, echt? Was machst du denn hier? Ich wußte gar nicht, daß es dich noch gibt. Er: Und du? Wo fährst du hin? Sie: Ich fahre zur Waschbar. Er: Gehst du immer noch in die Waschbar? Sie: Ja, aber nicht mehr so oft. Eigentlich nur zum Waschen. Ich bin jetzt öfter im Kotz. Er: Wenn du waschen gehst, heißt das, du wohnst nicht mehr bei deinen Eltern? Sie: Ja, ich bin in die Gutenbergstraße gezogen. Im September werde ich achtzehn. Bornstedt ist einfach von allem so weit weg. Ich wollte unbedingt in die Stadt, ich wohne mit ein paar Leuten in einer WG. Wechselndes Publikum, normalerweise sind es eher so Studenten, alle älter als ich. Er: Und, wie ist es? Sie: Es macht total Spaß. Ich bin die Jüngste, aber das fällt überhaupt nicht auf. In Bornstedt wäre ich bald erstickt. Obwohl es mit meinen Eltern ja einigermaßen ging. Sie zahlen mir sogar das Zimmer. Er: Wie geht es deinem Bruder? Sie: Hast du keinen Kontakt zu ihm? Mai: Ich habe überhaupt keinen Kontakt mehr nach Potsdam. Sie: Mike wohnt immer noch in der Charlottenstraße. Und er arbeitet nach wie vor bei der Märkischen Allgemeinen. Schade, es würde ihn bestimmt freuen, dich zu sehen, aber er ist gerade in der Türkei. Woher hast du eigentlich dieses Fahrrad? Christoph: Das Fahrrad? Aus einem Schuppen, wieso fragst du? Sie: Weil ich das Fahrrad kenne. Es gehört Nils. Er: Welchem Nils? Sie: Das ist eine lange Geschichte. Aber du kennst ihn sowieso nicht. Komisch, daß du jetzt dieses Fahrrad hast. Warte mal,sagte sie, nahm ihren Rucksack ab, holte einen Aufkleber heraus und klebte ihn auf den Sattel von Christoph Mais Fahrrad. Das wird ihn ärgern, sagte sie lächelnd. Wen? fragte Mai. Sie: Na, Nils Ebert. Es ist das Zeichen der Buddhisten. Er: Aha, bist du Buddhist geworden? Sie: Also wenn schon, dann Buddhistin. Nein, sei sie nicht geworden. Aber sie finde das ziemlich gut. Erinnere er sich an das buddhistische Zentrum am alten Wasserwerk? Er sei dort nie gewesen, sagte Mai. Sie: Genaugenommen handle es sich nicht um das Zeichen der Buddhisten, sie wisse gar nicht, ob die überhaupt ein allgemeines Zeichen haben, so wie wir das Kreuz. Es handle sich vielmehr um den Aufkleber vom Gemeindezentrum. Hier … (sie wies auf ihre Brust, dort
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