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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Wege. Nils hat sich verändert. Früher war er total unscheinbar, jetzt finde ich ihn eigentlich ziemlich hübsch.
    So kamen sie zur Waschbar in der Feuerbachstraße. Offenbar war die Waschbar immer noch in Mode. Es handelte sich um einen Waschsalon mit angeschlossenem Café, in dem ausschließlich junges, dem Selbstverständnis nach »linkes« Publikum herumsaß. Die Gäste waren Schüler oder Studenten. Im Gegensatz zum Kotz galt das Waschbarpublikum als gemäßigt. Manche trugen trotz den hohen Temperaturen die obligatorischen Regenbogenfarbenstrickmützen auf dem Kopf, andere langbeinige Lederhosen mit Stiefeln, mit denen sie schwer über das Parkett schritten. Es gab barfüßige Mädchen mit kurzen Röcken und Spaghettitops, die in einigermaßen verrenkten Posen auf ihren Stühlen saßen. Man trank Milchkaffee oder Caffè Latte und aß Möhrentorte oder Spinatquiche. Bier trank kaum jemand. Die Waschbar erinnerte Mai an Merle Johansson. Das war damals ihre Welt gewesen.
    Maja kniete vor einer Waschmaschine, holte Wäsche aus dem Rucksack, füllte sie in die Trommel und schaltete die Maschine ein. Dann gingen sie in den gastronomischen Teil. Maja grüßte nach hier und da, sie setzten sich, Maja bestellte eine Bionade. Auch sie winkelte sich auf ihrem Stuhl zurecht. Beide kamen auf Oststadt undHornung zu sprechen. Maja hatte in zwei Folgen als Statistin mitgespielt und kannte Hornung flüchtig. Freunde von ihr seien extra nach Frankfurt zu seiner Beerdigung gefahren. Mai sagte, daß er nicht auf der Beerdigung gewesen sei. Maja: Du warst nicht auf der Beerdigung deines besten Freundes? Wieso denn das? Mai: Ich habe, ehrlich gesagt, nicht geglaubt, daß das im Interesse von Max gewesen wäre. Sie: Wieso sollte er kein Interesse daran gehabt haben? Er: Weißt du, in solchen Augenblicken läßt man lieber anderen den Vortritt, all denen, die ein bestimmtes … wie soll ich sagen … die ein bestimmtes Interesse an Beerdigungen haben. Die bestimmen meistens solche Angelegenheiten. Ich habe ihnen nicht begegnen wollen. Selbst euer Oberbürgermeister hat ja seinen Beitrag geleistet und dieses Interview über den Beerdigungsort gegeben. Er hätte eine Beerdigung in Potsdam vorgezogen. Außerdem gibt es eine bestimmte Person, der ich unter keinen Umständen begegnen wollte. Maja: Du hast einer bestimmten Person nicht begegnen wollen? Wem denn? Ist diese Person dein Feind? Wie kannst du denn einen Feind haben, du bist doch ziemlich okay. Er: Feind, ich weiß nicht, ob das das richtige Wort ist. Vielleicht kennst du sie sogar. Sie heißt Merle Johansson und kommt aus Eiche. Sie: Merle Johansson aus Eiche? Der wolltest du nicht begegnen? Wieso denn das? Die ist doch total nett! Hier, dieses grüne Tuch, das hat sie mir gestern geschenkt. Mai schwieg. Maja wies auf ihren Anstecker und sagte, Merle Johansson komme oft ins Zentrum. Sie bewundere sie, sie sei eine der Älteren dort und eine Art Vorbild für sie. Sie ruhe total in sich, man könne sich in alleman sie wenden … sie habe immer Zeit. Merle lebe echt anders als die anderen. Das könne er sich wahrscheinlich gar nicht so vorstellen. Mai schaute vor sich hin. Sie: Ich weiß ja nicht, was du mit ihr erlebt hast. Na ja, sie ist halt viel reifer als die anderen. Merle lebt selbständig, macht nicht diesen ganzen Familienmist, und sie schafft das riesig mit dem Alleinerziehen. Sie hat ein Kind, einen kleinen Sohn, er heißt Jesus, total süß. Ich meine, das macht doch unglaublich viel Arbeit, also es ist natürlich keine Arbeit in dem Sinn, es ist natürlich toll, so mit dem Kind, aber sie macht es eben allein. Ich finde das schon großartig. Und es ist wichtig, daß sie ihr Kind vegetarisch aufwachsen läßt. Ich habe von ihr eine ganze Menge über das Vegetariersein gelernt, von wegen innere Verschmutzung mit Leichen und so weiter, ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber es ist einfach so … wir werden als Kinder alle von unseren Eltern beschmutzt, keiner kann sich da wehren, keiner wird gefragt. Total verantwortungslos. Na ja, so funktioniert das in unserer Gesellschaft. Merle ist toll. So möchte ich auch einmal sein. Wahrscheinlich hast du sie einfach nicht richtig kennengelernt. He, schau mal, da kommen Heike und Arnold. Das sind die beiden von der Beerdigung. Maja winkte durch die Scheibe nach draußen.
    Die Zwillinge betraten den Gastraum und kamen an den Tisch. Mai fiel sofort das außergewöhnliche Aussehen der beiden unbekannten Jugendlichen auf. Er war

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