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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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trug sie einen Anstecker mit demselben Zeichen) … ich gehe da schon seit Jahren hin. Es ist aber nicht religiös, man wird nicht bekehrt. Man kann immer hinkommen und gemeinsam essen und so; es ist schön. Jeder kann hinkommen, einfach so. Er: Aber dein Nils mag es nicht. Sie: Er ist nicht mein Nils. Nils hat Vorbehalte gegen die Buddhisten, ich glaube, er hat so ziemlich gegen alles Vorbehalte … übrigens kenne ich ihn eigentlich gar nicht. Er hält es für ideologisch, obgleich daran nichts ideologisch ist, gar nichts. Sie kochen toll vegetarisch, und wenn man will, kann man an den Gebeten teilnehmen, es ist völlig anders als bei uns in der Kirche, ich meine bei den Christen … Christoph, ich habe nicht viel Zeit. Ich muß echt zur Waschbar. Nachher ist ein Treffen wegen der Garnisonkirche, da will ich unbedingt hin, wir planen eine Demonstration. Er: Bist du in der Waschbar verabredet? Sie: Nein, wir sind später imKotz verabredet. Er: Dann komme ich in die Waschbar mit, wenn du willst. Sie: Klar, ich muß ja sowieso auf die Wäsche warten. Toll! Los, fahren wir!
    Sie fuhren los. Beide blieben auf gleicher Höhe, um sich unterhalten zu können, Verkehr war kaum auf der Straße. Maja grüßte immer wieder Leute am Straßenrand, offenbar hatte sie einen ziemlich großen Bekanntenkreis. Seit Mai dem Mädchen begegnet war, fühlte er sich wie ausgewechselt. Er war so unbeschwert wie bei einer Spazierfahrt an einem schönen Sommertag. Und er verfiel mit Maja Pospischil in denselben Plauderton wie früher, wenn sie bei ihrem Bruder Mike gewesen war. Maja war schon damals auffällig schön gewesen, sie hatte allerdings noch nicht so rote Haare gehabt und sich auch noch nicht in dementsprechende Farbtöne gehüllt. Mai hatte damals immer gern mit ihr geplaudert, über Gott und die Welt und meistens über den größten Unsinn.
    Sie fuhren über Kopfsteinpflaster. Was heißt anders als bei uns in der Kirche, fragte Mai. Du kannst bei uns … also in einer christlichen Kirche kannst du doch auch an den Gebeten teilnehmen, dafür ist sie ja da. Und es gibt auch das gemeinsame Mahl. Da ist kein grundsätzlicher Unterschied … Überhaupt: Beten denn die Buddhisten? Wen beten sie denn an? Doch, sagte Maja (das Licht leuchtete in ihren Haaren, während sie fuhr), es ist ein grundsätzlicher Unterschied. Die Christen haben eine Hostie, ein kleines Stück Teig, und es ist auch noch der »Leib des Herrn«. Ich muß schon sagen, das ist ein bißchen komisch, oder? Übrigens bin ich Vegetarierin.Aber abgesehen davon: Hast du jemals eine so seltsame »Mahlzeit« gesehen wie bei den Katholiken? Der Pfarrer steht vorn, trinkt ganz allein, dann läßt er die Gemeinde in Reih und Glied antreten, und jeder ißt so eine Oblate. Das ist keine Mahlzeit. Das ist nur symbolisch. Mai: Ja, natürlich. Was soll es denn anderes sein als symbolisch? Du kannst nur symbolisch mit der ganzen Gemeinde essen. Mit allen zusammen kann man nicht essen. Sie: Aber wir essen wirklich gemeinsam im Zentrum, es gibt eine Kantine. Wir sitzen auf dem Boden, im Schneidersitz, wir unterhalten uns, und das Essen kocht man gemeinsam, wer eben da ist. Es kann auch jeder etwas mitbringen. Meistens spielt wer Gitarre oder so. Mai: Gitarre, aha. Sehr schön. Sie: Mann, hör auf zu spotten, du bist ja wie Nils. Man kann hinkommen, wann man will, keine Pflicht, keiner beobachtet den anderen. Alles ist völlig frei. Er: Also, meiner Erfahrung nach kontrollieren sich die Leute dort, wo angeblich alles frei ist, am allermeisten. (Sie fuhren um eine Kurve.) Maja: Das sagt Nils auch immer. Sein Wort dafür ist »Antispießertum«. »Das Gesetz der Antispießigkeit ist«, sagt Nils, »daß der Antispießer der größte Spießer überhaupt ist.« Aber das ist natürlich, aufs Zentrum bezogen, totaler Mist. Er: Woher kennst du diesen Nils denn, gab es den früher auch schon? Sie: Wir sind auf derselben Schule. Für mich ist er ein absolutes Rätsel. Nils ist jemand, den man nicht verstehen kann, er lebt in einer völlig eigenen Welt. Er liest vollkommen abgedrehte Sachen. Immanuel Kant. Platon. Ehrlich gesagt bewundere ich das neuerdings. Mai: Ist er dein Freund? Sie: Quatsch. Unvorstellbar. Ich habe bisvor wenigen Tagen gedacht, das sei völlig ausgeschlossen. Eigentlich ist er mir bis vor kurzem gar nicht aufgefallen. Wir sind sonst immer zu Osterfeuern gegangen und so, weißt du, in unserer Freundesgruppe. Aber die alte Gruppe ist kaputt, es gehen jetzt alle ihre eigenen

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