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Santiago liegt gleich um die Ecke

Santiago liegt gleich um die Ecke

Titel: Santiago liegt gleich um die Ecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Albus
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im marmorigen Erdgeschoss abgebe, freue ich mich wie eine Sau, deren Schlachter gerade das Messer abgebrochen ist. Ich hab’s durchgestanden ! Außerdem ist meine Angst vor dem Aufbruch ins Unbekannte wie weggeblasen. Schlimmer dürfte es ja wohl wirklich kaum noch kommen! Ich will nur noch raus aus Köln! Immerhin, denke ich plötzlich; bekommt so alles einen Sinn: Gut gemacht, Jakobsweg!
    Ich bin spät dran, aber mein Pilgerführer macht mir für die 17,5 Kilometer bis Brühl Hoffnung: Schöne Wege, Steigungen höchstens wie an der Nordseeküste. Also: Erstmal frühstücken in Sichtweite des Doms, dann ein Abstecher über die Hohe Straße, die Luxus-Einkaufsmeile von Köln. O. K.: Blöde Idee! Schon
nach etwa drei Schritten merke ich: Ich passe hier nicht hin. All diese Menschen, so gut angezogen, bis unter die Achseln mit Tüten beladen … Ich überlege kurz, meiner Frau ein Geschenk zu kaufen, lasse es aber bleiben – wohin sollte ich das packen? Und wie sähe das nach zwei Wochen Eifel wohl aus? Außerdem ist mein Rucksack schon schwer genug – trotz des gewaltigen Ablasses in Altenberg. Nee: Ich brauche nichts von all dem Zeug hier! Ich sehe zu, dass ich vorankomme.
    Am Ende der Straße kommt mir allerdings eine verrückte Idee: Ich entdecke ein Parkhaus und entscheide, von ganz oben ein Foto zu schießen – die Hohe Straße aus der Vogelperspektive, den Dom im Hintergrund. Natürlich habe ich keinen Bock, mit einem Zementsack auf dem Rücken Treppen zu steigen. Also entscheide ich mich für die Rolltreppen des angeschlossenen Kaufhauses. Ganz oben ist ein Elektromarkt. Ich laufe durch, finde aber den Zugang zum Parkdeck nicht und beschließe, das Projekt abzubrechen. Weit komme ich allerdings nicht: Als ich den Laden verlassen möchte, schlägt ein Diebstahlalarm an. Im Nu stürzt ein Detektiv herbei. Mustert mich. Weiß nicht so recht, wohin er mich stecken soll. »Nehmen Sie mal Ihren Rucksack ab«, nuschelt er. Ich pule Socke für Socke meine schmutzige Wäsche heraus. Leute gehen an mir vorbei und glotzen. Irgendwann schüttelt meine Nemesis den Kopf. »Haben Sie vielleicht mal was bei uns gekauft?«, fragt der Typ. Hmmm … mein Netbook vielleicht? Der Detektiv sieht sich verstohlen um. »Wissen Sie, wenn der Alarm anspringt, geht da oben ein Signal an«, sagt er und blickt tatsächlich nach oben, dabei sind wir im obersten Stock. »Wenn ich mich da nicht sofort drum kümmere, bin ich meinen Job los …«
    Ich brauche nicht lange, um mir klarzumachen, was passiert ist: Ich mag diese Konsumwelt nicht und diese Konsumwelt mag mich auch nicht — also hat sie mich gepackt und ausgesondert. Auch Köln scheint froh zu sein, mich loszuwerden. Endlich wieder auf dem ordentlich ausgeschilderten Jakobsweg beschließe ich, meinen Getränkevorrat in einem kleinen Supermarkt aufzufrischen. Im Laden werde ich von einem Grönemeyer-Lied umspült. Wieder draußen geht mir die Melodie nicht wieder aus dem Kopf. Pfeifend gehe ich die Straße lang. Dann begreife ich plötzlich, was ich da trällere und kriege fast einen Lachkrampf: Der Song heißt »Flugzeuge im Bauch«: » Je eher du gehst, desto leichter, desto leichter wird’s für mich. « Jawoll! Jetzt bin ich wirklich gespannt auf das, was kommen wird!

    Irgendwann ist die Stadt weg. Alles grün. Ohne Vorwarnung. Ich mache ein etwas schadenfrohes Foto von dem Ortsschild mit dem durchgestrichenen Köln und treffe ein paar Meter weiter auf ein Leitungsstück des alten Römerviadukts, das die Stadt über Jahrhunderte mit Wasser versorgt hat — über einen gewaltigen 100-Kilometer-Haken aus der Eifel! Ein Stück weit darf ich ihm hier folgen. Jetzt wird’s wirklich eine
schöne Strecke: Es geht durch Wald und ausgedehnte Parks – kann man so machen! Und überall stoße ich auf Jakobs-Wegweiser, wie sie narrensicherer kaum angelegt sein könnten. Handgemalt! Sich hier zu verlaufen, dürfte unmöglich sein. Trotzdem verpasse ich irgendwo in Hürth eine Abzweigung. Prompt treffe ich ein paar Kids, die auf mich wirken, als möchten sie mir Ecstasy andrehen. Stattdessen fragen sie, was ich da eigentlich mache . Ich erzähle es ihnen. Sie reißen die Augen auf, als wäre ich Oliver Kahn und hätte gerade verkündet, den 1. FC Köln managen zu wollen, und zwar umsonst

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