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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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bleiben, wollen weiter.
Wie wir aus dem Steinbruch heraustreten und über eine Geländekante kommen, wirft uns der Wind fast zurück. Das Sträßchen steigt hier kaum, aber wir kämpfen uns darauf vorwärts wie auf einem steilen Pfad. Endlich kommen wir in den Windschatten eines Nordhanges. Wir haben die Straße jetzt verlassen und gehen auf einem guten, grasüberwachsenen Weg. Von unten reicht ein Wald mit niedrigen, verdrehten Buchen an den Weg heran und verstärkt den Windschutz. Wir atmen auf, und die Spannung löst sich. In einem lockeren Wald mit Eichen und Buchen vermögen wir sogar wieder zu sehen, wie schön es hier oben ist.
Wo sind wir eigentlich? Immer noch in Frankreich? Schon in Spanien? Der Kampf mit dem Föhnsturm hat uns sogar diese Frage vergessen lassen. Nach der Karte müßten wir längst in Spanien sein, aber wir haben keinen Grenzstein, geschweige denn einen Zöllner gesehen. Die Wegzeichen, die auf der ganzen Grande Randonnée 65 rot-weiß sind, sind hier jedoch gelb. Es sind die Zeichen für den spanischen Jakobsweg.
Wie wir auf den Sattel von Mendi-Chipi heraustreten, faßt uns der Sturm noch einmal in der vollen Stärke. Ich kann mich in einem Winkel von etwa 60 Grad gegen den Wind lehnen. Die Kleider werden uns satt an den Leib gepreßt. Wir kämpfen uns weiter vorwärts, entlang der Ostflanke eines Berges.
Plötzlich stehen wir vor einem steilen Abbruch. Die Sicht läßt uns Wind und Wetter vergessen. Vor uns liegt, unter einem grauen Himmel zwar, die Provinz Navarra. Unmittelbar unter uns fällt ein waldiges Tal ab. Im Ausschnitt sehen wir, 500 Meter unter uns, einige große Dächer. Es müssen die Dächer des Klosters von Roncesvalles sein. Dahinter dehnt sich eine weite Talsenke. In ihrer Mitte liegt ein Straßendorf; sicher Burgete. Das Tal wird von einem niedrigeren Gebirgszug abgeschlossen. Dahinter ahnen wir in dunstiger Ferne die Weiten Spaniens.
Der Wind läßt uns keine Ruhe. Wir haben die Wahl, nach rechts auf die Paßhöhe des Ibañeta abzusteigen oder dem Römerweg zu folgen, der ziemlich steil durch den Wald abfällt. Wo die Römer heraufgekommen sind, da kommen wir auch hinunter. Wir treten in den Wald ein, und bald ist es, wie durch ein Wunder, windstill. Spanien meint es gut mit uns.
In dem Maße, wie wir an Höhe verlieren, wird die Natur üppiger, der Wald grüner, die Sträucher und Kräuter saftiger und artenreicher. Da und dort blüht in einer Waldlichtung eine Wiese. Dann liegt der erste frisch gefällte Baumstamm am Wegrand. Wir sind wieder unter den Menschen. Es geht über einen klaren Bach, und bald treten wir von der Rückseite in den Klosterbezirk von Roncesvalles ein.
Es ist der Ort, von dem das Rolandslied berichtet, wo Christen und Mauren gestritten haben sollen und wo Karl der Große dem sterbenden Roland zu Hilfe geeilt ist. Wir melden uns an der Klosterpforte, möchten unseren Pilgerpaß an diesem wichtigen Punkte stempeln lassen. Aber die Chorherren sind beim Essen. Etwas später werden wir jedoch vom Padre hospedero, einem feinen und intelligenten Mann, sehr herzlich empfangen. Wir werden statistisch erfaßt, nach Alter, Nationalität und Konfession, und führen ein gutes ökumenisches Gespräch. Er bietet uns auch Unterkunft in der Pilgerherberge an. Wir haben jedoch keine Schlafsäcke und er keine Wolldecken, darum ziehen wir ein Bett in Burgete vor. Wir wohnen noch dem Abendgebet der Chorherren in der Marienkirche bei, danken Gott unsererseits für den guten Ausgang des Tages und verlassen den Klosterbezirk.
In der Wirtschaft nebenan geht es weltlicher zu, da läuft das obligate Fernsehen, und es riecht nach Pommes frites. An der Straße bezeichnet ein interessantes, rekonstruiertes Gebäude die Stelle, wo Karl der Große Roland bestattet haben soll, und auch sonst sieht man Zeichen der Wiederbelebung der historischen Stätte, die eine Zeitlang der Vergessenheit anheimzufallen drohte.
Nach Burgete sind es drei kurze Kilometer. Es ist ein Straßendorf mit stattlichen, sorgfältig unterhaltenen Baskenhäusern. Beim Ausruhen im Gasthof schlafen wir beide ein. Wie wir am Abend erwachen, gießt es in Strömen. Das gehört auch im Tessin zum Föhn. Gut, daß wir schon unter Dach sind.
     

Erste spanische Begegnung
33. Tag: Von Burgete nach Zubiri
 
Burgete ist das spanische Gegenstück zu Saint-Jean-Pied-de-Port. Es lebt wie dieses vom Paßverkehr ins Nachbarland und hat einige Hotels, eine oder zwei Geldwechselstellen und einige Gaststätten. Der

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