Saphirblau
mache ich, wenn mich jemand anders auffordert als du?« Ich versank in meinen Knicks - quatsch, in meine Reverenz.
»Dann machst du alles genauso«, sagte Gideon und nahm meine Hand. »Aber im 18. Jahrhundert ging es, was das betrifft, recht förmlich zu. Man forderte nicht einfach ein fremdes Mädchen auf, ohne ihr offiziell vorgestellt worden zu sein.«
»Es sei denn, sie machte irgendwelche obszönen Bewegungen mit ihrem Fächer.« Allmählich gingen mir die Tanzschritte in Fleisch und Blut über. »Immer wenn ich meinen Fächer auch nur um einen Zentimeter gekippt habe, hat Giordano einen Nervenzusammenbruch erlitten und Charlotte hat den Kopf geschüttelt wie ein trauriger Wackeldackel.«
»Sie will dir doch nur helfen«, sagte Gideon.
»Ja, genau. Und die Erde ist eine Scheibe«, schnaubte ich, obwohl das beim Menuett-Tanzen sicher nicht erlaubt war.
»Man könnte denken, dass ihr euch nicht besonders mögt.« Wir drehten uns mit unserem jeweiligen Scheinpartner im Kreis.
Ach? Könnte man, ja?
»Ich glaube, außer Tante Glenda, Lady Arista und unseren Lehrern gibt es niemanden, der Charlotte mag.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Gideon.
»Oh - ich vergaß natürlich noch Giordano und dich. Ups, jetzt habe ich mit den Augen gerollt, das ist bestimmt verboten im 18. Jahrhundert.«
»Kann es sein, dass du ein bisschen eifersüchtig auf Charlotte bist?«
Ich musste lachen. »Vertrau mir, wenn du sie so gut kennen würdest wie ich, würdest du so eine dumme Frage gar nicht erst stellen.«
»Ich kenne sie eigentlich ganz gut«, sagte Gideon leise und nahm wieder meine Hand.
Ja, aber nur von ihrer Schokoladenseite,
wollte ich sagen, aber dann ging mir der Sinn seines Satzes auf und ich wurde auf einen Schlag tatsächlich ganz fürchterlich eifersüchtig auf Charlotte. »Wie gut kennt ihr euch denn so ... im Einzelnen?« Ich entzog Gideon meine Hand und reichte sie stattdessen seinem nicht vorhandenen Nachbarn.
»Naja, ich würde sagen, so gut, wie man sich eben kennt, wenn man viel Zeit miteinander verbringt.« Beim Vorbeigehen lächelte er maliziös. »Und wir hatten ja beide nicht besonders viel Zeit für andere . . . äh . . . Freundschaften.«
»Verstehe. Da muss man nehmen, was man hat.« Ich konnte es keine Sekunde länger aushalten. »Und - wie küsst Charlotte so?«
Gideon griff nach meiner Hand, die mindestens zwanzig Zentimeter zu hoch in der Luft hing. »Ich finde, Ihr macht großartige Fortschritte in Sachen Konversation - dennoch: Über solche Dinge spricht ein Gentleman nicht.«
»Ja, diese Ausrede würde ich gelten lassen, wenn du ein Gentleman wärst.«
»Sollte ich Euch jemals Anlass gegeben haben, mein Verhalten als nicht gentlemanlike zu beurteilen, so . . .«
»Ach, halt die Klappe! Was auch immer zwischen dir und Charlotte läuft - es interessiert mich gar nicht. Aber ich finde es ziemlich dreist, dass du es gleichzeitig spaßig findest, mit mir . . . rumzumachen.«
»Rumzumachen? Was für ein unschönes Wort. Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr mich über die Ursache Eures Unmuts aufklären und dabei an eure Ellenbogen denken könntet. Sie gehören bei dieser Figur nach unten.«
»Das ist nicht komisch«, fauchte ich. »Ich hätte mich nicht von dir küssen lassen, wenn ich gewusst hätte, dass du und Charlotte ...« Ah, Mozart war vorbei und Linkin Park wieder an der Reihe. Gut, das passte auch besser zu meiner Stimmung.
»Ich und Charlotte - was?« ». . . mehr seid als Freunde.« »Wer sagt das?« »Du?«
»Das habe ich gar nicht.«
»Aha. Also - ihr habt euch noch nie - sagen wir mal - geküsst?« Ich verzichtete auf den Knicks und funkelte ihn stattdessen an.
»Das habe ich auch nicht gesagt.« Er verneigte sich und griff nach dem iPod in meiner Tasche. »Gleich noch einmal, das mit den Armen musst du noch üben. Sonst war es toll.«
»Dafür lässt deine Konversation aber sehr zu wünschen übrig«, sagte ich. »Hast du nun was mit Charlotte oder nicht?«
»Ich denke, es interessiert dich gar nicht, was mit mir und Charlotte ist.«
Ich funkelte noch immer. »Richtig, ja.«
»Dann ist es ja gut.« Gideon reichte mir den iPod zurück.
Aus den Kopfhörern kam
Hallelujah,
die Version von Bon Jovi.
»Das ist das falsche Stück«, sagte ich. »Nein, nein«, sagte Gideon und grinste. »Ich dachte, du brauchst jetzt was Beruhigendes.« »Du ... du bist so ... so ein . . .« »Ja?«
»Kotzbrocken?«
Er kam noch einen Schritt näher, sodass schätzungsweise noch
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