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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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kopfschüttelnd und nahm mir die Taschenlampe aus der Hand. Er hatte nicht allein auf meine Rückkehr gewartet. Neben ihm stand Falk de Villiers, Dr. White saß auf einem Stuhl am Tisch, Robert, der kleine Geistjunge, lugte hinter seinen Beinen hervor und an der Wand neben der Tür lehnte Gideon, mit einem riesigen weißen Pflaster auf der Stirn.
    Bei seinem Anblick musste ich tief Luft holen.
    Er hatte seine übliche Haltung eingenommen, die Arme vor der Brust verschränkt, aber seine Gesichtsfarbe war kaum dunkler als das Pflaster und die Schatten unter seinen Augen ließen seine Iris unnatürlich grün erscheinen. Ich spürte ein geradezu übermächtiges Verlangen, zu ihm zu laufen, ihn in die Arme zu nehmen und auf seine Wunde zu pusten, so wie ich es früher immer mit Nick gemacht hatte, wenn er sich wehgetan hatte.
    »Alles in Ordnung, Gwendolyn?«, fragte Falk de Villiers.
    »Ja«, sagte ich, ohne Gideon aus den Augen zu lassen. Gott, ich hatte ihn vermisst, wie sehr, das wurde mir jetzt erst bewusst. War dieser Kuss auf dem grünen Sofa erst einen Tag her? Obwohl - von
einem
Kuss konnte man wohl schlecht sprechen.
    Gideon gab meinen Blick reglos zurück, beinahe unbeteiligt, als würde er mich gerade zum ersten Mal sehen. Keine Spur mehr von dem, was gestern gewesen war.
    »Ich bringe Gwendolyn hinauf, damit sie nach Hause fahren kann«, sagte Mr George ruhig, legte eine Hand auf meinen Rücken und schob mich sanft an Falk vorbei zur Tür. Direkt auf Gideon zu.
    »Hast du . . . geht es dir wieder gut?«, fragte ich.
    Gideon sagte nichts, er sah mich nur an. Aber irgendetwas stimmte nicht mit der Art und Weise, wie er mich ansah. Als wäre ich keine Person, sondern ein Gegenstand. Irgendetwas Unbedeutendes, Alltägliches, so etwas wie ein . . . Stuhl. Möglicherweise hatte er doch eine Gehirnerschütterung und wusste nicht mehr, wer ich war? Unvermittelt wurde mir kalt.
    »Gideon gehört ins Bett, aber er muss einige Stunden elapsieren, wenn wir keinen unkontrollierten Zeitsprung riskieren wollen«, erklärte Dr. White barsch. »Es ist Leichtsinn, ihn wieder allein . . .«
    »Zwei Stunden in einem ruhigen Kellerraum im Jahr 1953, Jake«, fiel ihm Falk ins Wort. »Auf einem Sofa. Das wird er überleben.«
    »Ja, allerdings«, sagte Gideon und sein Blick wurde, wenn überhaupt möglich, noch finsterer. Plötzlich war mir zum Heulen zumute.
    Mr George öffnete die Tür. »Komm, Gwendolyn.«
    »Einen Moment noch, Mr George.« Gideon hielt mich am Arm fest. »Eins würde ich gern noch wissen: In welches Jahr schickten Sie Gwendolyn gleich?«
    »Gerade eben? 1956, Juli«, sagte Mr George. »Warum?«
    »Nun - weil sie nach Zigaretten riecht«, sagte Gideon, während sich der Griff um meinen Arm schmerzhaft verstärkte. Beinahe hätte ich die Schultasche fallen gelassen.
    Automatisch roch ich an meinem Jackenärmel. Richtig - der stundenlange Aufenthalt in dem verqualmten Cafe hatte eindeutig Spuren hinterlassen. Wie um Himmels willen sollte ich das erklären?
    Alle Blicke im Raum waren jetzt auf mich gerichtet und ich begriff, dass ich mir ganz schnell eine gute Ausrede einfallen lassen musste.
    »Okay - erwischt«, sagte ich und guckte auf den Boden. »Ich habe ein bisschen geraucht. Aber nur drei Zigaretten. Ehrlich.«
    Mr George schüttelte den Kopf. »Aber Gwendolyn, ich hatte dir doch eingeschärft, keinen Gegenstand . . .«
    »Es tut mir leid«, fiel ich ihm ins Wort. »Aber es ist so langweilig in diesem dunklen Keller und eine Zigarette hilft gegen die Angst . . .« Ich bemühte mich um einen betretenen Gesichtsausdruck. »Ich habe die Stummel sorgfältig eingesammelt und alles wieder mitgebracht, Sie müssen keine Sorge haben, dass jemand eine Packung Lucky Strike findet und sich wundert.«
    Falk lachte.
    »Unser Prinzesschen hier ist eben nicht ganz so brav, wie es aussieht«, sagte Dr. White und ich atmete erleichtert auf. Offensichtlich glaubten sie mir. »Guck nicht so schockiert, Thomas. Meine erste Zigarette habe ich mit dreizehn geraucht.«
    »Ich auch. Meine erste und meine letzte.« Falk de Villiers hatte sich wieder über den Chronografen gebeugt. »Rauchen ist wirklich nicht empfehlenswert, Gwendolyn. Ich bin sicher, deine Mutter wäre ziemlich schockiert, wenn sie davon wüsste.«
    Selbst der kleine Robert nickte heftig und sah mich vorwurfsvoll an.
    »Außerdem ist es nicht gut für die Schönheit«, ergänzte Dr. White. »Von Nikotin bekommt man eine schlechte Haut und hässliche

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