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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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hast mir gefehlt!« »Sie mir auch«, sagte ich ehrlich. Schon die bloße Gegenwart von Madame Rossini mit ihrer überschäumenden Herzlichkeit und ihrem wunderbaren französischen Akzent
(Schwanen'älschen).
Wenn Gideon das nur hören könnte!) wirkte belebend und beruhigend gleichzeitig. Sie war Balsam für mein angeschlagenes Selbstwertgefühl.
    »Du wirst entzückt sein, wenn du siehst, was ich dir genäht habe. Giordano hat beinahe geweint, als ich ihm deine Kleider gezeigt habe, so schön sind sie.«
    »Das glaube ich«, sagte ich. Giordano hatte sicher geweint, weil er die Kleider nicht selber anziehen durfte. Immerhin war er heute einigermaßen freundlich geblieben, nicht zuletzt, weil ich das mit dem Tanzen dieses Mal ganz gut hinbekommen hatte und dank Xemerius' Souffleurtätigkeit auch genau gewusst hatte, welcher Lord Anhänger der Tories und welcher Anhänger der Whigs war. (Xemerius hatte einfach von hinten über Charlottes Schulter auf ihren Zettel geschaut.) Meine eigene
Legende -
Penelope Mary Gray, geboren 1765 - konnte ich ebenfalls dank Xemerius fehlerfrei herunterrasseln, inklusive sämtlicher Vornamen meiner verstorbenen Eltern. Nur mit dem Fächer stellte ich mich nach wie vor ungeschickt an, aber Charlotte hatte den konstruktiven Vorschlag gemacht, dass ich einfach gar keinen benutzen sollte.
    Am Schluss der Unterrichtsstunde hatte Giordano mir noch eine Liste überreicht, mit lauter Worten darauf, die ich unter gar keinen Umständen benutzen durfte. »Bis morgen auswendig lernen und verinnerlichen!«, hatte er genäselt. »Im 18. Jahrhundert gibt es keine Busse, keine Nachrichtensprecher, keine Staubsauger, nichts ist super, klasse oder cool, man wusste nichts von Atomspaltung, collagenhaltigen Pflegecremes oder Ozonlöchern.«
    Ach, tatsächlich? Während ich mir vorzustellen versuchte, warum zur Hölle ich auf einer Soiree im 18. Jahrhundert in Versuchung geraten sollte, einen Satz zu bilden, in dem die Worte Nachrichtensprecher, Ozonloch und collagenhaltige Pflegecreme vorkommen würden, hatte ich höflich »Okay« gesagt, aber da hatte Giordano schon aufgekreischt: »Neiiiin! Eben nicht okay! Es gibt kein
Okay
im 18. Jahrhundert, dummes Ding!«
    Madame Rossini schnürte die Korsage auf meinem Rücken zusammen. Wieder war ich überrascht, wie bequem sie war. Man nahm in so einem Ding automatisch eine gerade Haltung. Ein gepolstertes Drahtgestell wurde um meine Hüften geschnallt (ich nehme an, das 18. Jahrhundert war eine wunderbar entspannte Zeit für alle Frauen mit einem dicken Popo und breiten Hüften), dann streifte mir Madame Rossini ein dunkelrotes Kleid über den Kopf. Sie schloss eine lange Reihe von Häkchen und Knöpfen auf dem Rücken, während ich mit den Fingern bewundernd über die schwere bestickte Seide strich. Hach, was war das wieder schön!
    Madame Rossini ging langsam einmal um mich herum und auf ihrem Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. »Zauberhaft.
Magnifique.«
    »Ist das das Kleid für den Ball?«, fragte ich.
    »Nein, das ist die Robe für die Soiree.« Madame Rossini steckte winzige, perfekt gearbeitete Seidenrosen rund um den tiefen Ausschnitt fest. Da sie den Mund voller Stecknadeln hatte, sprach sie recht undeutlich zwischen den Zähnen hindurch. »Da darfst du das Haar ungepudert tragen und die dunkle Farbe sieht fantastisch aus zu diesem Rot. Genau, wie ich es mir gedacht habe.« Sie zwinkerte mir verschmitzt zu. »Aufsehen wird du erregen, mein Schwanenhälschen, n'est ce pas - obwohl das sicher nicht der Sinn der Sache ist. Aber was kann ich tun?« Sie rang die Hände, aber bei ihrer kleinen Person mit dem Schildkrötenhals sah das im Gegensatz zu Giordano sehr süß aus. »Du bist nun mal eine kleine Schönheit und es würde gar nichts helfen, dich in flohfarbene Gewänder zu stecken. So, Schwanenhälschen, fertig. Jetzt kommt das Ballkleid an die Reihe.«
    Das Ballkleid war von einem blassen Blau mit cremefarbenen Stickereien und Rüschen und es saß genauso perfekt wie das rote Kleid. Wenn möglich hatte es einen noch spektakuläreren Ausschnitt und der Rock schwang meterweit um mich herum. Madame Rossini wog sorgenvoll meinen Zopf in ihren Händen. »Ich bin mir noch nicht sicher, wie wir das machen werden. Mit einer Perücke wirst du es nicht wirklich bequem haben, zumal wir diese Unmengen von eigenen Haaren darunter verbergen müssen. Aber deine Haare sind so dunkel, dass wir mit Puder wahrscheinlich nur einen hässlichen Grauton

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