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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mit verstecken, denn ich musste die Tür ja auch wieder abschließen, und zweitens: Selbst wenn Gideon das Versteck finden würde, wie wollte er beweisen, dass es für mich bestimmt war? Ich würde mich einfach dumm stellen.
    Sorgfältig stellte ich die Stühle wieder an ihren Platz und sorgte dafür, dass die verräterischen Spuren im Staub verwischt wurden. Dann prüfte ich, ob die Tür auch wirklich abgeschlossen war, und setzte mich auf das grüne Sofa.
    Ich fühlte mich ein bisschen wie vor vier Jahren, als Leslie und ich wegen der Sache mit dem Frosch in Direktor Gilles' Büro warten mussten, bis er Zeit hatte, uns eine Strafpredigt zu halten. Eigentlich hatten wir gar nichts Böses getan. Cynthia hatte den Frosch höchstpersönlich mit ihrem Fahrrad überfahren, und weil sie anschließend keine angemessenen Schuldgefühle gezeigt hatte (»Das ist doch bloß ein blöder Frosch gewesen«), hatten Leslie und ich zornentbrannt beschlossen, den Frosch zu rächen. Wir wollten ihn im Park begraben, aber vorher - und weil er ja schon tot war - dachten wir, es würde Cynthia vielleicht aufrütteln und künftig Fröschen gegenüber ein wenig sensibilisieren, wenn sie ihn noch einmal wiedersehen würde - in ihrer Suppe. Niemand hatte ahnen können, dass Cynthia bei seinem Anblick einen hysterischen Schreikrampf erleiden würde . . . Direktor Gilles jedenfalls hatte uns behandelt wie zwei Schwerverbrecher und leider hatte er diese Episode nicht vergessen. Wenn er uns heute irgendwo in den Fluren begegnete, sagte er stets »Ah, die bösen Froschmädchen« zu uns und wir fühlten uns dann jedes Mal wieder ganz mies.
    Ich schloss für einen Moment die Augen. Gideon hatte keinen Grund, mich so schlecht zu behandeln. Ich hatte nichts Schlimmes getan. Ständig sagten alle, dass man mir nicht trauen könne, sie verbanden mir die Augen, niemand gab mir Antworten auf meine Fragen - da war es doch nur natürlich, dass ich versuchte, auf eigene Faust herauszufinden, was hier eigentlich passierte, oder etwa nicht?
    Wo blieb er denn nur? Die Glühbirne an der Decke knisterte, das Licht flackerte für einen Moment. Es war ganz schön kalt hier unten. Vielleicht hatten sie mich in einen dieser kalten Nachkriegswinter geschickt, von denen Tante Maddy immer erzählte. Ganz toll. Die Wasserleitungen waren eingefroren und auf den Straßen hatten tote Tiere gelegen, steif vom Frost. Testweise prüfte ich, ob mein Atem in der Luft vielleicht weiße Wölkchen bildete. Was nicht der Fall war.
    Wieder flackerte das Licht und ich bekam Angst. Was, wenn ich plötzlich im Dunkeln hier sitzen musste? Diesmal hatte niemand daran gedacht, mir eine Taschenlampe mitzugeben, überhaupt konnte man nicht sagen, dass man mich irgendwie fürsorglich behandelt hatte. Im Dunkeln würden sich die Ratten sicher aus ihren Verstecken trauen. Vielleicht hatten sie Hunger . . . Und wo sich Ratten aufhielten, waren Kakerlaken nicht weit. Auch der Geist des einarmigen Tempelritters, von dem Xemerius gesprochen hatte, würde vielleicht einen kleinen Abstecher machen.
    Krrrrrk.
    Das war die Glühbirne.
    Langsam gelangte ich zu der Überzeugung, dass Gideons Gegenwart auf jeden Fall der von Ratten und Geistern vorzuziehen war. Aber er kam nicht. Stattdessen flackerte das Licht, als läge es bereits in den letzten Zügen.
    Wenn ich als Kind Angst im Dunkeln gehabt hatte, hatte ich immer gesungen, und das tat ich auch jetzt automatisch. Zuerst ganz leise, dann immer lauter. Schließlich gab es hier niemanden, der mich hören konnte.
    Das Singen half gegen die Angst. Und auch gegen die Kälte. Nach den ersten Minuten hörte sogar die Glühbirne wieder auf zu flackern. Allerdings fing sie bei allen Songs von Maria Mena wieder damit an, auch Emiliana Torrini schien sie nicht zu mögen. Alte Abba-Songs hingegen quittierte sie mit einem ruhigen, gleichmäßigen Strahlen. Leider kannte ich davon nicht ganz so viele, vor allem nicht die Texte. Aber die Glühbirne akzeptierte auch »lalala, one chance in a lifetime, lalalala«.
    Ich sang stundenlang. So kam es mir jedenfalls vor. Nach
The winner takes it all
(Leslies ultimativem Liebeskummer-Song) fing ich wieder bei
I
wonder
an. Dabei tanzte ich durch den Raum, damit mir nicht zu kalt wurde. Erst nach dem dritten Mal
Mamma mia
war ich überzeugt davon, dass Gideon nicht mehr kommen würde.
    Verdammt! Ich hätte mich also doch gefahrlos nach oben schleichen können. Ich versuchte es mit
Head over heels
und bei
You're wasting my

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