Saphirblau
ein bisschen Rouge auf die Wangen gepinselt, und obwohl es gestern noch spät geworden war, hatte ich dank ihrer Schminkkünste keine Schatten mehr unter den Augen.
»Wie Schneewittchen«, sagte Madame Rossini und tupfte sich ganz gerührt mit einem Stoffrest gegen die feuchten Augen. »Rot wie Blut, weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz. Sie werden mit mir schimpfen, weil du auffallen wirst wie ein bunter Hund. Zeig mir deine Fingernägel, ja, tres bien, schön sauber und kurz. Und jetzt schüttle mal den Kopf. Nein, ruhig stärker, diese Frisur muss den ganzen Abend halten.«
»Fühlt sich ein bisschen an, als hätte ich einen Hut auf«, sagte ich.
»Daran gewöhnst du dich«, erwiderte Madame Rossini, während sie die Haare mit noch mehr Spray fixierte. Zusätzlich zu den geschätzten elf Pfund Haarnadeln, die das Lockengebirge auf dem Kopf zusammenhielten, gab es noch welche, die nur der Zierde dienten, sie waren mit den gleichen Rosen besetzt, die auch den Ausschnitt des Kleides säumten. Allerliebst! »So, fertig, Schwanenhälschen. Soll ich wieder Fotos machen?«
»Oh bitte!« Ich sah mich nach meiner Tasche mit dem Handy um. »Leslie würde mich umbringen, wenn ich diesen Augenblick nicht festhalten würde.«
»Ich würde gern welche von euch beiden machen«, sagte Madame Rossini, nachdem sie mich ungefähr zehnmal von allen Seiten abgelichtet hatte. »Von dir und dem ungezogenen Jungen. Damit man sehen kann, wie perfekt und dennoch absolut dezent die Garderobe aufeinander abgestimmt ist. Aber Giordano kümmert sich um Gideon, ich habe mich geweigert, mich noch einmal über die Notwendigkeit von gemusterten Strümpfen zu streiten. Was zu viel ist, ist zu viel.«
»Diese Strümpfe hier sind gar nicht so schlecht«, sagte ich.
»Das liegt daran, dass sie zwar so aussehen wie die Strümpfe der damaligen Zeit, aber dank Elastan viel bequemer sind«, sagte Madame Rossini. »Früher hat einem so ein Strumpfband wahrscheinlich den halben Oberschenkel abgeschnürt, deins hingegen ist nur zur Zierde da. Natürlich hoffe ich nicht, dass jemand einen Blick unter deinen Rock wirft - aber falls doch, kann sich niemand beschweren, n'est ce pas?« Sie klatschte in die Hände. »Bien, ich rufe jetzt oben an und sage, dass du fertig bist.«
Während sie telefonierte, stellte ich mich wieder vor den Spiegel. Ich war aufgeregt. Gideon hatte ich seit heute Morgen energisch aus meinen Gedanken verbannt und es war mir einigermaßen gelungen, aber nur zu dem Preis, dass ich nun ständig an den Grafen von Saint Germain denken musste. Zu der Angst vor einer neuerlichen Begegnung mit dem Grafen mischte sich auch eine unerklärliche Vorfreude auf die Soiree, die mir selber ein bisschen unheimlich war.
Mum hatte erlaubt, dass Leslie in der vergangenen Nacht bei uns schlief, und deshalb war es noch ein netter Abend geworden, irgendwie. Mit Leslie und Xemerius die Geschehnisse ganz genau zu analysieren, hatte mir gutgetan. Vielleicht hatten sie es ja nur gesagt, um mich aufzumuntern, aber sowohl Leslie als auch Xemerius waren der Meinung, dass es noch keinen Grund für mich gebe, mich wegen unerfüllter Liebe von der Brücke zu stürzen. Sie behaupteten alle beide, Gideon habe angesichts der Umstände durchaus berechtigte Gründe für sein Verhalten gehabt, und Leslie meinte, im Zuge der Gleichberechtigung der Geschlechter solle man auch Jungs mal Phasen schlechter Laune zubilligen, und sie spüre ganz genau, dass er tief in seinem Inneren ein wirklich lieber Kerl sei.
»Du kennst ihn gar nicht!« Ich hatte den Kopf geschüttelt. »Das sagst du nur, weil du weißt, dass ich das hören will!«
»Ja und weil ich auch will, dass es die Wahrheit ist«, hatte Leslie gesagt. »Wenn er sich am Ende als Arschloch entpuppen sollte, werde ich ihn höchstpersönlich aufsuchen und ihm eine reinhauen! Versprochen.«
Xemerius war erst spät nach Hause gekommen, vorher nämlich hatte er auf meine Bitte hin Charlotte, Raphael und Gideon beschattet.
Im Gegensatz zu ihm fanden Leslie und ich es kein bisschen langweilig zu hören, wie Raphael so war.
»Wenn ihr mich fragt, sieht der Kleine ein bisschen zu gut aus«, hatte Xemerius genörgelt. »Und das weiß er auch genau.«
»Womit er bei Charlotte an der richtigen Adresse wäre«, sagte Leslie zufrieden. »Unsere Eisprinzessin hat bisher noch jedem die Lebensfreude geraubt.«
Wir hatten uns auf meine breite Fensterbank gehockt, während Xemerius auf dem Tisch Platz nahm, seinen Schwanz
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