Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
meinem Leidwesen muss ich gestehen, dass die Reise auf dem Lith äußerst angenehm ist. Alriel erzählte mir einst von rollenden Wägen, in denen die Menschen bequem reisen konnten, während ihr sogenannter Kutscher die Pferde lenkte, die das Gespann zogen.
Ihren Geschichten nach ist die Reise auf einem Lith sogar noch angenehmer, denn sie klagte über die Übelkeit, die sie wegen dem ständigen Auf und Ab erleiden musste.
Das gigantische Tier unter mir bewegt sich jedoch mit solch einer routinierten Gleichmäßigkeit, dass es sich anfühlt, als würde ich an einem warmen Sommertag auf einer Waldlichtung sitzen und die ungewöhnlich starke, kühle Briese genießen.
Die Bäume malen ein faszinierendes Spiel aus Licht und Schatten auf Edans Gesicht. Hell und dunkel. Dunkel und hell. Böse und gut. Erschrocken über meine eigenen Gedanken halte ich inne. Mein komplettes Wesen fühlt sich zu Edan hingezogen und möchte nicht akzeptieren, dass er ein Dämon ist. Ich weiß nicht, was es ist, denn mein Verstand rät mir, ihn zu vergessen.
Seine Augen öffnen sich und er begegnet meinem Blick. Mein Herz setzt für einen Schlag aus, ich fühle mich ertappt.
„Na, Prinzessin?“
Seine Mundwinkel ziehen sich nach oben.
„Sind wir bald da?“, frage ich bloß und hoffe, dass er meine Verlegenheit nicht bemerkt.
Edan richtet sich ein wenig auf, indem er sich auf seine Ellbogen stützt und sieht sich um.
„Hörst du schon was?“
„Ich... äh, nein“, stottere ich.
„Gut, dann sind wir nicht bald da.“
Mit diesen Worten lässt er sich wieder nach unten sinken und schließt die Augen. Wütend starre ich ihn an.
Er ist sich seiner Sache so sicher und damit hat er recht. Momentan ist jede Fluchtmöglichkeit ausgeschlossen. Ich könnte mich vom Lith stürzen, doch der Sturz würde mir einige Knochen brechen, sodass es kein Entkommen mehr für mich gäbe.
Erschöpft lege auch ich mich hin. Ich hasse ihn dafür, dass mein Herz ihn mag. Dass er auf unverständliche Weise einen Platz in mir gefunden hat. Ich kann mir nicht einmal erklären, woran es genau liegt.
Mit halb geschlossenen Augen starre ich in nach oben und beobachte das Farbenwechselspiel der grünen Bäume mit dem azurblauen Himmel.
„Feuer und Wasser. Wald und Stein. Diese Elemente stoßen sich genauso ab, wie sie sich anziehen.“
Alriels hellblonde Haare schimmern golden im Sonnenlicht, das auf die Lichtung scheint. Um sie herum sitzen knapp ein Dutzend Ilyea-Kinder, die gelangweilt ihrem Vortrag über die Elemente lauschen. Eines von ihnen malt mit einem Stock kleine Kreise ins Gras, ein anderes betrachtet gedankenverloren einen Schmetterling.
„Niamh, kannst du mir sagen, weshalb es uns verboten ist, andere Ilyea-Völker zu treffen?“
Das kleine Mädchen schreckt überrascht hoch, als es seinen Namen hört.
„Da die Elemente vor langer Zeit von den Göttern erschaffen wurden, trachten sie stets danach, sich wieder zu vereinen, um zu ihnen zurückkehren zu können. Meer-Ilyea fühlen sich besonders stark zu Dämonen hingezogen, während wir Wald-Ilyea das Volk der Berg-Ilyea ansprechend finden“, wiederholt die junge Niamh die auswendig gelernten Worte.
„Und sobald sich alle Elemente in einem Wesen vereinen, wird großes Leid über uns hereinbrechen.“
Niamh gibt sich keine Mühe, die Ungläubigkeit in ihrer Stimme zu verbergen.
„Was auch immer das für ein Unheil sein mag“, fügt sie flüsternd hinzu und der junge Ilyea neben ihr kichert. Niamhs Augen leuchten vor Freude auf, denn es ist selten, dass sie jemanden zum Lachen bringt.
„Damit ist nicht zu spaßen, meine Schüler“, sagt Alriel streng und erstickt das um sich greifende Gelächter im Keim.
„Irgendwann werdet ihr alles verstehen.“
Den bedeutungsschweren Blick, den die Dorfälteste Niamh aus ihren smaragdgrünen Augen zuwirft, übersieht jeder der Anwesenden. Zu sehr sind sie mit einem Vogel beschäftigt, der auf der Wiese nach geeignetem Nistmaterial sucht und dabei mit seinem Schnabel hin und wieder ins Gras pickt.
Erschrocken schlage ich die Augen auf. Diese Unterrichtsstunde meiner Kindheit habe ich vergessen, wie das meiste, was Alriel mir über Magie beibrachte. Ich hielt es nie für nötig, mir über etwas Gedanken zu machen und zu lernen, was nicht real war. Dass ihre Geschichten mehr als nur einen Funken Wahrheit enthalten, bekomme ich nun am eigenen Leib zu spüren.
Edan hat keinen Platz in meinem Herzen. Die Elemente zwingen mich dazu, ihn
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