Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
stummen Schrei geöffnet.
Fluchend springe ich vom Sattel und Eile auf sie zu. Meine Hände schließen sich um ihre und ich spüre, wie sie zittert. Obwohl ich all meine Kräfte aufbiete kommen wir kaum voran. Nur widerwillig setzt sie einen Fuß vor den Anderen, als würde der Kristall sie zu sich rufen.
Der glitzernde Leichnam lenkt auch meine Aufmerksamkeit auf sich, aber ich ziehe Enya weiter.
Äste knacken. Die Schatten sind langsamer geworden und beginnen uns zu umkreisen. Ihre funkelnden Augen sind lauernd auf uns gerichtet. Die konturlosen Köpfe lassen Schwarze Münder erkennen, die noch dunkler sind, als die Schatten selbst.
"Enya!"
Ihr Name wird von der Finsternis verschluckt, dennoch reagiert sie und sieht mich an. Ich zerre kräftiger und nun bewegen sich ihre Beine von selbst. Grausige Töne erklingen. Sie erinnern an Wind, der in ausgehöhlten Bäumen jault und tote Blätter, die knirschend zu Staub zerfallen. Die Mäuler der Schatten sind weit geöffnet, ihre Arme greifen nach uns.
Von meinem Überlebensinstinkt angetrieben weiche ich einem der schwarzen Finger aus. Seine Nähe fühlt sich an wie der Tod. Kalt, unerbittlich, unaufhaltsam. Bei meinem Ausweichmanöver verliere ich Enya aus den Augen. Hände packen mich und zerren mich hinauf. Edan.
Mein Kopf dröhnt, verzweifelt b licke ich mich um. In Cedric Augen schimmern Tränen, der Kratzer auf seiner Wange leuchtet rot. Wind umhüllt mich und mir wird klar, dass das Lith sich trotz seiner Verletzung bewegt.
"Wo ist sie?"
Cedric schüttelt lediglich den Kopf. Mit einem Aufschrei wilder Entschlossenheit springe ich auf und drehe mich um. Die Schatten Türmen sich übereinander, werden zu einer großen, pechfarbenen Masse. Zwischen den schwarzen Leibern sehe ich türkisfarbene Augen in einem Gesicht aus Kristall glitzern.
"Nein!"
In meinem Kopf schreie ich das Wort laut hinaus, drehe damit die Zeit zurück und spüre wieder Enyas Wärme Hand auf meiner. In Wahrheit verlässt kein Laut meine Lippen, das Lith reitet weiter und Enyas zu Kristall erstarrter Körper liegt verlassen im Wald. Tränen Rinnen über meine Wange.
"Wir müssen sie retten! Kehr um!"
"Es gibt keine Rettung mehr."
Edans Stimme klingt kalt und gefühllos.
"Du lügst", entgegne ich und verschließe damit selbst die Augen vor der Wahrheit. Obwohl die Meer-Ilyea mich anfangs nicht leiden konnte und mir dies auch deutlich gezeigt hat, spürte ich immer ein Band der Vertrautheit zwischen uns. Ihr muss es ähnlich gegangen sein, sonst hätte sie nicht so viel für mich getan. Sie war die einzige Verbindung zwischen mir und dem Meer. Jetzt tun mir die Anflüge von Eifersucht und die bösen Gedanken leid.
Weder Cedric noch Edan nehmen mich in den Arm. Beide schweigen. Cedrics Gesicht zeugt ebenfalls von tiefer Trauer, während der Halbdämon keinerlei Reaktion zeigt. Stur lenkt er das Lith weiter durch die Dunkelheit. In dieser Nacht begegnen wir keinen Schatten mehr. Sie haben sich genügend Lebensenergie geholt.
Als die Sonne langsam aufgeht, friere ich noch immer.
"Das Diadem!", entfährt es mir plötzlich und Edan hält umgehend das Lith an.
"Enya hatte das Diadem."
Mit einem Fluch wendet Edan das Lith und kehrt um. Ich zittere.
Einerseits möchte ich zu ihr zurückkehren, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Doch andererseits würde das lebendige, anmutige Abbild, das ich von ihr in meinem Herzen aufbewahren wollte, von glattem Kristall übermalt werden. Während Edan das schnaufende Lith zu immer größerer Eile antreibt, bereite ich mich innerlich auf das vor, was mir gleich begegnen wird. Zwei Ilyea, einst voller Leben, nun zu Kristall erstarrt.
Noch während ich mich innerlich wappne zügelt Edan das Lith. Ich atme noch einmal tief durch und erstarre.
Helles Licht flutet den Toten Wald. Einige der Bäume tragen zarte Triebe und frische Knospen.
Eine anmutige Gestalt, heller als die Sonne, steht regungslos in dem neu gewonnen Grün. Durch ihren Kopf aus Kristall sehe ich, wie eine der Blumen gerade rot erblüht.
"Sie tragen nun meine Lebensenergie in sich. Doch die Dämonen werden sie sich bald holen."
Mit zarten Fingern streicht die Lichterscheinung über einen der blühenden Bäume. Ihr darauffolgendes Lachen klingt wie tausende kleine Glocken, auf denen der Wind eine wunderbare Melodie spielt.
"Enya?", fragt Cedric irritiert. Sie ist es. Ihre Anmut und Eleganz verraten sie.
"Wenn ich es abnehme, sterbe ich."
Die strahlende Gestalt hebt ihre Hände
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