Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
Irgendwann einmal . . .
8
Bei ihrer eigenen Hütte angekommen, verabschiedete sich Sara kurz und kühl von ihrer Freundin. Sie spürte die Müdigkeit jetzt schon in allen Knochen und war im Allgemeinen momentan nicht gut auf Fuxia anzusprechen. Sie wusste nicht genau warum, aber es hatte ihr ja auch noch niemand erklärt, dass sie gerade in die Pubertät kam. Und pubertierende Vampirkinder können noch viel schlimmer und anstrengender sein als pubertierende Menschenkinder. Die Situation war für Sara trotzdem um nichts angenehmer – natürlich mit feinen Unterschieden: Sie bekam keine Pickel und hatte auch keine plötzlichen Wachstumsschübe. Dafür waren ihre Stimmungsschwankungen umso heftiger und ihr Hunger wuchs unheimlich an. Ihr Blut schien zu kochen und der Anblick von Fuxia hatte Sara zusehends zu schaffen gemacht. In manchen Augenblicken am Nachhauseweg hatte sie nicht Fuxia neben sich gesehen, sondern eine große Flasche Ketchup auf zwei Beinen, manchmal auch eine Gestalt, die komplett aus Roten Rüben bestand und gemütlich neben ihr herspazierte. Einmal war es sogar ein Himbeerstrauch mit Hexenhut gewesen. Sara hatte sich zwingen müssen, an etwas anderes als Essen zu denken. Nicht zuletzt deshalb war sie froh, als sich Fuxia verabschiedet hatte und schnurstracks zu ihrem Turm verschwunden war. „Wahrscheinlich merkt sie etwas“, dachte Sara mürrisch und sich dann sofort selbst gefragt, was Fuxia eigentlich merken sollte. Wie gesagt: Sara selbst war sich nicht bewusst, dass sie an einem entscheidenden Punkt ihres Lebens angekommen war. Ein friedlicher Waldvampir war man nicht von Geburt an. Schon eher durch Erziehung, aber sicher nicht von Geburt an. Denn geboren wurden alle Vampire gleich . . .
Müde schleppte sich Sara die Stufen zu ihrem Zimmer hoch. Zuvor hatte sie noch kurz den Vorratsschrank in der Küche geplündert. Ihre Mundwinkel waren noch ganz rot von der Extraportion Ketchup, die sie sich gegönnt hatte. Satt war sie aber noch immer nicht. Ihr gelüstete nach mehr und vor allem nach anderem Zeug als Ketchup und Roten Rüben. Worauf sie wirklich Lust hatte, konnte sie aber nicht sagen.
Von ihren Eltern war weit und breit nichts zu sehen oder hören. Wahrscheinlich waren sie mit anderen Vampiren oder Hexen und Zauberern im Wald unterwegs. Vielleicht hatten sie auch ein Treffen mit den Walddrachen. Seit ihrem letzten Abenteuer war das Verhältnis zwischen Drachen und Waldgeistern wieder bedeutend besser geworden und inzwischen wurde jedes Monat ein Treffen abgehalten, um die aktuelle Lage im St. Nimmerleins Wald zu besprechen. Viel zu besprechen gab es da meist nicht, aber die wenigen Punkte waren dafür umso wichtiger. Punkt Nummer 1 war im Normalfall die Hexe Toxina und die Frage, ob sie nun endgültig besiegt worden war. Punkt 2, auch nicht gerade unwichtig, war die Frage, wie man den St. Nimmerleins Wald vor den Menschen schützen konnte. In Wirklichkeit hieß das natürlich: Wie konnten sich die Waldgeister und Drachen vor den Menschen schützen.
Die ersten Menschensiedlungen reichten inzwischen schon bedrohlich nahe an den St. Nimmerleins Wald heran und in wenigen Jahren würden die Menschen vielleicht auch den St. Nimmerleins Wald für sich entdecken. Was also tun? Tatsächlich hatte man die Antwort darauf noch nicht gefunden. Bisher war der St. Nimmerleins Wald abgelegen genug gewesen, um Ruhe vor den Menschen zu haben. Er war von außen so unauffällig, dass kein Mensch auf die Idee gekommen war, hier spazieren zu gehen, oder neue Tierarten zu katalogisieren. Das zauberhafte Zauberwäldchen hatte sich durch Tarnen und Täuschen bislang selbst geschützt. Was aber, wenn die ersten Menschensiedlungen wirklich einmal bis zum Waldrand reichten? Als erste Gegenmaßnahme hatte man ausgedehnte Moore um den Wald herum angelegt. Das bedeutet, dass sich die mächtigsten Hexen, darunter auch Fuxias Mutter Gwendolin, schweren Herzens daran gemacht hatten, die angrenzenden Wiesen in tiefe Sümpfe zu verwandeln. Das musste fürs Erste reichen. Weiter wusste man selbst nicht. Bisher . . . Aber: kommt Zeit, kommt Rat, wie die Menschen selbst so schön sagten.
Sara machte sich also wegen ihrer Eltern keine weiteren Gedanken. Vielmehr schon wegen Dagobar, den sie nun schon seit Wochen nicht mehr gesehen hatte. Der gesprächige Drache war mittlerweile zum Oberhaupt der Drachensippe des St. Nimmerleins Waldes gekürt worden und hatte momentan keine Zeit für sie und Fuxia. Er hatte alle Ohren
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