Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
dann? Weiter mit Feen und Elfen spielen? Jeden Tag in einen widerlichen Rotkrautkopf beißen? Glaub mir, in der Stadt ist es viel spannender. Die Menschen fürchten uns. Wir werden respektiert. Wir können tun und lassen was wir wollen! Nie wieder Verantwortung tragen! Nie wieder Rücksicht auf andere nehmen müssen! Wie klingt das?“
In Saras kleinem und momentan äußerst rebellischen Kopf schwirrten die Worte Reißzahns wie kleine Kometen umher. Nie wieder Verantwortung, nie wieder Rücksicht nehmen! Das klang schon äußerst verführerisch. Außerdem bedeutete es, auch nie wieder Rücksicht auf kindische Hexen wie Fuxia nehmen zu müssen. Endlich frei sein, das zu tun, was man will!
Reißzahn schien die aufkeimenden Zweifel in Saras Gedanken gelesen zu haben: „Vergiss Fuxia und die anderen Waldgeister. Wenn du zu einem Stadtvampir wirst, brauchst du auch keinen Hexenbesen mehr, der dich zur Mondsichel trägt. Stadtvampire sind viel mächtiger als Waldvampire. Oder glaubst du, als Fledermaus könntest du tatsächlich zur Mondsichel fliegen? Wir Stadtvampire können einfach fliegen. Wir müssen uns dazu nicht erst verwandeln.“
Sara hing gebannt an den Lippen des Vampirs. „Wie macht ihr das?“, fragte sie fasziniert.
„Wir trinken das Blut der Menschen. Es gibt uns die Kraft. Zu fliegen, Gedanken zu lesen und noch vieles mehr. Menschen sind auch magische Wesen. Sie wissen es nur nicht.“ Dabei zwinkerte Reißzahn Sara launig zu. „Ihre Magie hilft, unsere Magie zu stärken. In Roten Rüben oder Ketchup wirst du vergeblich nach Magie suchen. Natürlich . . .“, wandte Reißzahn schließlich mit einer gönnerhaften Geste ein, „. . .natürlich kannst du auch das Blut von Feen und Elfen trinken. Aber glaub mir, dann wirst du nicht lange im St. Nimmerleins Wald bleiben dürfen. Das Mindeste, das dir dann passieren kann, ist, dass dich die anderen Waldgeister fortjagen. Es kann dir aber auch passieren, dass du mit einem Fluch belegt wirst und zu Stein erstarrst. Fuxias Großmutter war in so etwas immer besonders gut.“
„Du kennst Salma?“, stieß Sara aufgeregt aus.
„Ja, aber das ist eine Geschichte für ein anderes Mal. Wir haben nicht viel Zeit. Ich brauche jetzt deine Entscheidung: Kommst du mit mir mit, oder nicht?“
Sara wollte sofort und laut „Ja“ schreien, überlegte es sich dann aber doch noch einmal. Sie dachte an ihre Eltern, und den Aufstand den es mit Sicherheit geben würde, wenn sie entdeckten, dass sie spurlos verschwunden war. Sie würden wohl mit viel rechnen, aber sicher nicht damit, dass sie in die Stadt verschwunden war. Dieses Thema hatten ihre Eltern immer gemieden. Natürlich hatte Sara schon öfter den Verdacht gehabt, dass es außerhalb des Waldes Vampire gab, die anders waren als sie und ihre Eltern. Sie hatten ja auch das eine oder andere Mal Verwandte in der Stadt besucht. Aber bei diesen Gelegenheiten hatte niemand ein Wort darüber fallen lassen, dass die Stadtvampire anders waren, als die Waldvampire. Woher hatte sie ahnen können, dass Tante Margaret und Onkel Tantalus sich von Menschenblut ernährten? Dazu waren die Besuche wohl zu kurz. Obwohl: Eigentlich hätte es Sara zu denken geben müssen, dass sie nicht in einem Haus wohnten, sondern auf dem Friedhof. Letztendlich hatte ihr aber niemand den Unterschied erklärt. Auch die Blutträume, die sie in letzter Zeit gehabt hatte, hatten sie wohl darauf vorbereiten sollen, das wurde ihr jetzt klar. Trotzdem kamen die Enthüllungen Reißzahns wie ein Schlag.
„Komm morgen wieder“, sagte sie deshalb schweren Herzens, „Ich möchte es mir noch überlegen. Ich kann nicht einfach so verschwinden.“
Reißzahn nickte stumm, dann sagte er: „Gut, ich komme morgen wieder zur selben Zeit. Aber kein Wort zu deinen Eltern. Sie würden dich nie in die Stadt ziehen lassen.“
„Meinst du?“, fragte Sara zweifelnd, obwohl sie genau wusste, dass Reißzahn Recht hatte.
Reißzahn nickte ernst.
„Wirst du den Wald jetzt verlassen?“, fragte Sara zaghaft. Irgendwie genoss sie die Anwesenheit des Vampirs. Auch wenn er trotz seines Lächelns dunkel und bedrohlich wirkte.
„Ja, ich muss noch jagen. Ich habe Hunger“, antwortete er und verschwand mit einem Sprung durchs Fenster. Sara blickte ihm verträumt nach. Sie konnte seine Umrisse noch deutlich gegen den hell leuchtenden Mond sehen. Er flog über den Baumwipfeln. Elegant und leicht wie ein Adler.
„Und tu keinem Waldgeist weh“, flüsterte Sara der Gestalt
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