Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
voll, um die Beschwerden und Wünsche der anderen Drachen anzuhören und, wenn möglich, auch umzusetzen.
Saras Werpudel, Moritz, hatte dafür umso mehr Zeit für die kleine Vampirin. Er hatte den ganzen Tag vor der Tür von Saras Zimmer auf sie gewartet. Als sie sich jetzt die Treppen hinauf schleppte, kam plötzlich Leben in den schlafenden Werpudel. Mit einem Satz war er auf den Beinen und sprang seiner Sara ungestüm entgegen. Soweit es ihre miese Laune zuließ, gab Sara den freudigen Begrüßungssturm mit herzlichem Streicheln zurück. Aber irgendwie war ihr an diesem Tag so überhaupt nicht danach, von Moritz angesabbert zu werden. Und das konnte der Werpudel fast am besten. Wenn man nicht aufpasste, war man nach einer seiner stürmischen Begrüßungen meistens so gut wie gebadet.
„Jetzt schau dir an, was du gemacht hast!“, fuhr Sara Moritz ein wenig heftiger als gewollt an. Sara hielt dem verdutzten Werpudel einen Ärmel ihres Kleids direkt vors Gesicht. Ein kleiner Sabberfleck hatte einen Teil ihres violetten Kleides dunkelschwarz getüncht. Normalerweise überhaupt kein Problem, aber an diesem Abend war Sara eben leicht zu reizen.
„Zur Strafe schläfst du heute Nacht am Gang!“, zischte die Vampirin, stapfte in ihr Zimmer und warf die Tür hinter sich zu. Moritz zuckte bei dem lauten Knall zusammen. Dann steckte er seinen Schwanz zwischen die Hinterläufe und kauerte sich vor Saras Tür. Sollte die kleine Vampirin in der Nacht ihr Zimmer verlassen wollen, würde sie garantiert über Moritz stolpern. Den darauf folgenden Wutanfall nahm Moritz gerne auf sich. Schließlich war er da, um auf Sara aufzupassen. Nur weil Sara einmal schlechter Laune war, ließ er sich davon nicht abbringen. Instinktiv wusste er, dass sie ihm niemals lange böse sein konnte. Aber schließlich hatte es auch Moritz noch mit keinem pubertierenden Vampir zu tun gehabt.
Sara ließ sich im Zimmer auf ihr schmales Bett fallen. Als Waldvampir hatte Sara ja keine Ahnung, dass es andere Vampire gab, die in Särgen schliefen. Im Gegensatz zu Mariella schlief sie nicht unter einer Decke aus Morgentau. Ihr Bettbezug war komplett aus violettem Satin. Das hatte den Vorteil, dass es immer schön kühl war, während Morgentaudecken den Nachteil hatten, dass sie ziemlich viel Wärme speicherten. Und Wärme war etwas, das Vampiren von Haus aus suspekt war. In ihren Adern floss kaltes Blut und so sollte es auch sein. Das hieß ja nicht automatisch, dass man auch kaltblütig und herzlos sein musste, oder?
Sara schlüpfte widerwillig aus ihren Schuhen. Im Moment konnte sie sich selbst nicht ausstehen. Sie gab den Schuhen einen Kick, dass sie über den glatten Holzboden ins nächste Eck schlitterten. Einen Moment später kamen sie aber wieder zurück geschossen.
„Autsch!“, schrie Sara halb verletzt und halb erschrocken. Seit wann konnten sich ihre Schuhe selbständig machen? Die Vampirin warf einen Blick in das Eck, in das sie ihre Schuhe verbittert geschossen hatte. Ein Schatten löste sich aus der Ecke und schwebte auf Sara zu. Ängstlich zog sie sich ein Stück auf ihr Bett zurück, die Knie angezogen und mit den Armen umschlungen. Je weiter Saras Körper zurückwich, um so mehr streckte sie ihren Hals nach vor. In dieser Hinsicht war ihre Neugierde stärker als ihre Angst.
Der Schatten kam immer näher. Jetzt konnte Sara erkennen, dass es eine dunkle, männliche Gestalt war, die da auf sie zu schwebte. Als sie die langen Reißzähne sah, wollte sie schreien. Aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Außer einem kurzen Röcheln kam kein Ton heraus.
Die Gestalt war jetzt eindeutig kein Schatten mehr, auch wenn sie genauso geschmeidig und lautlos über den Boden glitt. Die Füße schienen die Holzbretter nicht zu berühren. Normalerweise kannte sie diesen Schwebegang von sich selbst, aber zusehen hatte sie sich dabei noch nie können. Ihre Eltern hatten bislang überhaupt darauf verzichtet, vor ihren Augen durch das Haus zu schweben. Umso beeindruckender war jetzt die Vorstellung des Eindringlings. Für einen kurzen Moment vergaß Sara sogar ihre Angst und sie konnte nur noch staunen. Ihr Mund bildete ein großes O und ihre Augen waren aufgerissen wie die einer glotzenden Kuh. Als die Gestalt die Bettkante erreicht hatte, wurde ihr Gesicht in silbriges Mondlicht getränkt. Die Vampirzähne blitzten gefährlich auf und ein unwiderstehliches Lächeln verzierte das diabolische Gesicht der Gestalt.
Sara war immer weiter zurückgerückt.
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