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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Anwalt sie keine andere Rolle spielen lassen wollte als die der trauernden Angehörigen.
    Joelyn schniefte, noch immer ohne Tränen. » Ich habe meine Schwester sehr geliebt. Meine Mutter ist eben erst in ein Pflegeheim gezogen. Sie hat vielleicht noch sechs Monate, und dann passiert ihrer Tochter so was. Der Verlust eines Kindes ist niederschmetternd.«
    Faith versuchte, weitere Fragen anzubringen. » Haben Sie Kinder?«
    » Vier.« Sie wirkte stolz.
    » Jacquelyn hatte keine …«
    » Scheiße, nein. Drei Abtreibungen, bevor sie dreißig wurde. Sie hatte eine Heidenangst davor, fett zu werden. Können Sie sich das vorstellen? Der einzige Grund, warum sie sie die Toilette runtergespült hat, ist ihr verdammtes Gewicht. Und dann geht sie langsam auf die vierzig zu, und plötzlich will sie Mutter werden.«
    Faith verbarg ihre Überraschung gut. » Versuchte sie, schwanger zu werden?«
    » Haben Sie nicht gehört, was ich über die Abtreibungen gesagt habe? Sie können das nachschauen. Ich lüge in dieser Sache nicht.«
    Will ging immer davon aus, dass Leute, die behaupteten, in einer Sache nicht zu lügen, bei etwas anderem logen. Herauszufinden, was dieses andere war, wäre der Schlüssel zu Joelyn Zabel. Sie kam ihm nicht als besonders fürsorglicher Mensch vor, und sie hatte mit Sicherheit vor, ihre zehn Minuten des Ruhms so lange wie möglich auszudehnen.
    Faith fragte: » Suchte Jackie nach einer Leihmutter?«
    Joelyn schien zu begreifen, wie wichtig ihre Worte waren. Plötzlich war die gespannte Aufmerksamkeit der ganzen Runde auf sie gerichtet. Sie ließ sich Zeit mit der Antwort. » Adoption.«
    » Privat? Staatlich?«
    » Wer weiß das schon? Sie hatte jede Menge Geld. Sie war es gewohnt, sich zu kaufen, was sie wollte.« Sie umklammerte die Armlehnen ihres Stuhls, und Will sah, dass das ein Thema war, über das sie gern sprach. » Das ist doch die wirkliche Tragödie hier – nicht sehen zu können, wie sie irgendeinen verschmähten Idioten adoptiert, der sie dann letztendlich bestiehlt oder vor ihren Augen schizophren wird.«
    Will spürte, wie Faith neben ihm sich verkrampfte. Er übernahm das Fragen. » Wann haben Sie zum letzten Mal mit Ihrer Schwester gesprochen?«
    » Ungefähr vor einem Monat. Sie schwadronierte dauernd vom Muttersein, als hätte sie auch nur den geringsten Schimmer davon. Redete davon, ein Kind aus China oder Russland oder von sonst wo zu adoptieren. Sie wissen doch, einige dieser Kinder werden zu Mördern. Sie wurden misshandelt, sind einfach krank im Kopf. Die werden nie was Richtiges.«
    » Wir sehen das oft.« Will schüttelte traurig den Kopf, als wäre das eine ziemlich häufige Tragödie. » Machte sie irgendwelche Fortschritte? Wissen Sie, mit welcher Agentur sie arbeitete?«
    Bei Fragen nach Details wurde sie einsilbig. » Jackie war nicht die Mitteilsamste. Sie war immer sehr besorgt um ihre Privatsphäre.« Sie deutete mit dem Kopf auf die Anwälte der Rechtsabteilung, die sich größte Mühe gaben, mit dem Mobiliar zu verschmelzen. » Ich weiß, dass diese Handlanger da auf der Couch nicht zulassen werden, dass Sie sich entschuldigen, aber Sie könnten wenigstens zugeben, dass Sie Mist gebaut haben.«
    Nun ergriff Amanda wieder das Wort. » Miss Zabel, die Autopsie beweist …«
    Joelyn zeigte ein streitlustiges Achselzucken. » Sie beweist nur, was ich bereits weiß: Dass ihr Trottel herumgestanden seid und nichts getan habt, während meine Schwester starb.«
    » Vielleicht haben Sie den Bericht nicht sorgfältig genug gelesen, Miss Zabel.« Amandas Stimme klang sanft, derselbe beschwichtigende Tonfall, den sie zuvor im Gang benutzt hatte, bevor sie Will demütigte. » Ihre Schwester hat sich das Leben genommen.«
    » Nur weil Sie rein gar nichts getan haben, um ihr zu helfen.«
    » Ist Ihnen bewusst, dass sie blind und taub war?«, fragte Amanda.
    Will merkte an der Art, wie Zabels Blick zu dem Anwalt wanderte, dass sie das tatsächlich nicht begriffen hatte.
    Amanda zog eine weitere Aktenmappe aus der obersten Schublade ihres Schreibtisches. Sie blätterte darin, und er sah die Farbfotos von Jacquelyn Zabel im Baum, in der Leichenhalle. Will fand das besonders grausam, sogar für Amandas Verhältnisse. Wie grässlich Joelyn auch sein mochte, sie hatte dennoch ihre Schwester auf die schlimmstmögliche Art verloren. Er sah, dass Faith sich auf ihrem Stuhl bewegte, und wusste, dass sie dasselbe dachte.
    Amanda nahm sich Zeit, die richtige Seite herauszusuchen, die mitten

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