Sara Linton 01 - Tote Augen
Verbindung, Will. Wenn alle die Frauen Essstörungen hatten, dann haben wir endlich etwas, das alle miteinander verbindet.«
» Und einen Chatroom, in den wir nicht hineinkommen, und eine Familie, die nicht gerade hilfsbereit ist.«
» Was ist mit Pauline McGhees Bruder? Zu Felix hatte sie gesagt, er sei ein schlimmer Mann.« Sie wandte sich vom Computer ab und schenkte Will ihre volle Aufmerksamkeit. » Vielleicht sollten wir noch einmal mit Felix reden und sehen, ob ihm sonst noch was einfällt.«
Will schien skeptisch. » Er ist erst sechs Jahre alt, Faith. Er trauert, weil seine Mom verschwunden ist. Ich glaube nicht, dass wir aus ihm noch etwas herausbekommen.«
Sie erschraken beide, als das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte. Ohne nachzudenken, griff Faith danach und sagte: » Pauline McGhees Büro.«
» Hallo.« Morgan Hollister klang nicht sehr erfreut.
Faith fragte: » Haben Sie Jacquelyn Zabel in Ihren Büchern gefunden?«
» Ich fürchte nicht, Detective, aber – komische Sache – ich habe einen Anruf für Sie auf Leitung zwei.«
Faith schaute Will achselzuckend an, als sie auf den erleuchteten Knopf drückte. » Faith Mitchell.«
Leo Donnelly ließ sofort eine Tirade vom Stapel. » Ihr seid wohl nicht auf den Gedanken gekommen, mit mir zu reden, bevor ihr euch in meinen Fall einmischt.«
Faiths Mund füllte sich mit Entschuldigungen, doch Leo gab ihr nicht die Zeit, sie herauszulassen.
» Ich hatte einen Anruf von meinem Chef, der einen Anruf von eurer Schwuchtel Hollister hatte, der wissen wollte, warum der Staat McGhees Büro durchsucht, obwohl wir doch heute Morgen schon alles durchgegangen sind.« Er atmete schwer. » Mein Chef, Faith. Er will wissen, warum ich in dieser Sache meine Arbeit nicht machen kann. Du weißt, wie mich das aussehen lässt?«
» Es gibt eine Verbindung«, sagte Faith. » Wir haben eine Verbindung zwischen Pauline McGhee und den anderen Opfern gefunden.«
» Das freut mich ja wirklich wahnsinnig für dich, Mitchell. Aber unterdessen stecken meine Eier in der Zange, weil ihr nicht die zwei Sekunden hattet, bei mir vorbeizukommen und mir Bescheid zu sagen.«
» Leo, es tut mir leid …«
» Spar’s dir«, blaffte er. » Ich sollte euch das eigentlich vorenthalten, aber so einer bin ich nicht.«
» Was vorenthalten?«
» Wir haben noch eine Vermisste.«
Faith erstarrte. » Noch eine vermisste Frau?«, wiederholte sie Will zuliebe. » Passt sie in unser Profil?«
» Mitte dreißig, dunkle Haare, braune Augen. Sie arbeitet in einer Edelbank in Buckhead, wo man stinkreich sein muss, um überhaupt durch die Tür zu kommen. Keine Freunde. Alle sagen, sie ist eine echte Zicke.«
Faith nickte Will zu. Noch ein Opfer, noch eine Uhr, die tickte. » Wie heißt sie? Wo wohnt sie?«
» Olivia Tanner.« Er ratterte Namen und Adresse so schnell herunter, dass sie ihn bitten musste, es zu wiederholen. » Sie wohnt an der Virginia Highland.«
Faith kritzelte sich die Adresse auf den Handrücken.
Leo sagte: » Jetzt bist du mir was schuldig.«
» Leo, es tut mir leid, dass ich …«
Er ließ sie nicht ausreden. » Wenn ich du wäre, Mitchell, würde ich auf mich aufpassen. Bis auf die Sache mit dem beruflichen Erfolg passt du ziemlich gut in das Profil.«
Sie hörte ein leises Klicken, was in gewisser Weise schlimmer war, als wenn er den Hörer aufgeknallt hätte.
Olivia Tanner lebte in einem dieser täuschend klein aussehenden Midtown-Bungalows, die von der Straße her wirkten, als hätten sie nur hundert Quadratmeter, tatsächlich aber mit sechs Schlafzimmern und fünfeinhalb Bädern protzten und gut eine Million Dollar kosteten. Nachdem sie in Pauline McGhees Büro gewesen war und die Seele der Vermissten so bloßgelegt gesehen hatte, betrachtete Faith nun Olivia Tanners Haus mit anderen Augen, als sie es sonst getan hätte. Der Blumengarten war wundervoll, die Pflanzen standen aber alle in gleichförmigen Reihen. Die Hausfassade war frisch gestrichen, die Regenrinne hing gerade und ordentlich befestigt unter der Traufe. Faith kannte das Viertel und wusste, dass der Bungalow wahrscheinlich dreißig Jahre älter war als ihr eigenes, bescheidenes Ranchhouse, aber im Vergleich dazu sah er brandneu aus.
» Gut«, sagte Will in sein Handy. » Vielen Dank, dass Sie mit mir gesprochen haben.« Er beendete den Anruf und sagte zu Faith: » Joelyn Zabel sagt, dass ihre Schwester in der Highschool Probleme mit Anorexie und Bulimie hatte. Sie wusste nicht so recht, wie es
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