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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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schien in präzisem Fünfundvierzig-Grad-Winkel auf der Ecke des Schreibtisches zu stehen. Der einzige Gegenstand von emotionalem Wert war ein Foto von Felix auf einer Schaukel.
    » Er ist ein kleiner Kämpfer«, sagte Will in Anspielung auf Morgans Bemerkung über Paulines Sohn. » Ich habe gestern Abend die Sozialarbeiterin angerufen. Felix kommt ganz und gar nicht gut damit zurecht.«
    » Was macht er?«
    » Er weint viel. Und will nicht essen.«
    Faith betrachtete das Foto, die unverstellte Freude in den Augen des Jungen, mit der er seine Mutter anstrahlte. Sie dachte an Jeremy in diesem Alter. Er war so süß gewesen, dass sie ihn am liebsten verschlungen hätte wie ein Stück Kuchen. Faith hatte in dieser Zeit gerade die Polizeiakademie abgeschlossen und war in eine billige Wohnung am Monroe Drive gezogen; es war das erste Mal, dass sie und Jeremy nicht mit ihrer Mutter zusammenwohnten. Ihrer beider Leben waren so sehr miteinander verwoben, wie sie es sich nie hätte vorstellen können. Er war so sehr ein Teil von ihr, dass sie es kaum ertragen konnte, ihn in der Tagesstätte abzugeben. Abends malte Jeremy am Küchentisch Bilder aus, während sie ihre täglichen Berichte schrieb. Er sang ihr mit seiner quiekenden, hohen Stimme Lieder vor, während sie ihm Abendessen machte und Brote für den nächsten Tag schmierte. Manchmal kam er zu ihr ins Bett und rollte sich wie ein Kätzchen unter ihrem Arm zusammen. Sie hatte sich noch nie so wichtig und so gebraucht gefühlt – zuvor nicht und seitdem mit Sicherheit auch nicht mehr.
    » Faith?« Will hatte etwas gesagt, das sie nicht mitbekommen hatte.
    » Ich habe gesagt, was wollen Sie wetten, dass Jacquelyn Zabels Haus in Florida genauso aufgeräumt ist wie dieses Büro?«
    Faith räusperte sich und versuchte, sich wieder auf die Gegenwart zu konzentrieren. » Das Zimmer, das sie im Haus ihrer Mutter benutzte, war extrem ordentlich. Ich dachte, sie hätte das nur getan, weil der Rest des Hauses so ein Chaos war – Sie wissen schon, ein Ort der Ruhe im Sturm. Vielleicht war sie aber auch eine Ordnungsfanatikerin.«
    » Typ-A-Persönlichkeit.« Will ging um den Schreibtisch herum und öffnete die Schubladen. Faith schaute sich an, was er gefunden hatte – eine Reihe Buntstifte nebeneinander in einer Plastikschale. Zusätzliche Post-it-Zettel in einem präzisen Stapel. Er öffnete die nächste Schublade und fand einen großen Ordner, den er herauszog und auf den Schreibtisch legte. Er blätterte in den Seiten, und Faith sah Skizzen, Materialmuster und ausgeschnittene Möbelfotos.
    Faith fuhr den Computer hoch, während er in die anderen Schubladen schaute. Sie war ziemlich sicher, dass sie hier nichts finden würden, aber merkwürdigerweise hatte sie das Gefühl, dass das, was sie hier taten, sie in ihrem Fall weiterbrachte. Sie war mit Will wieder auf einer Wellenlänge und fühlte sich eher als seine Partnerin denn als seine Gegnerin. Das musste einfach gut sein.
    » Schauen Sie sich das an.« Will hatte die unterste Schublade auf der linken Seite aufgezogen, in der Chaos herrschte – wie in der Krimskramsschublade in einer Küche. Papiere waren zusammengeknüllt, und ganz unten lagen mehrere leere Chipstüten.
    Faith sagte: » Wenigstens wissen wir jetzt, dass sie menschlich ist.«
    » Es ist komisch«, sagte er. » Alles ist so ordentlich bis auf diese Schublade.«
    Faith nahm ein zusammengeknülltes Blatt heraus und strich es auf der Tischplatte glatt. Eine Liste stand darauf, abgehakt vermutlich in der Reihenfolge ihrer Erledigung: Lebensmittel einkaufen, Lampe im Wohnzimmer der Powells reparieren lassen, Jordan wegen Couch-Materialmuster anrufen. Sie holte einen zweiten Papierball heraus und fand so ziemlich dasselbe.
    Will fragte: » Hat sie sie vielleicht zusammengeknüllt, nachdem sie erledigt hatte, was sie tun musste?«
    Faith kniff die Augen zusammen, bis ihre Sicht unscharf wurde, sie versuchte, so zu sehen, wie Will sehen würde. Er schaffte es verdammt gut, die Leute glauben zu machen, er könne lesen, und sogar Faith vergaß manchmal, dass er überhaupt ein Problem hatte.
    Will suchte das Bücherregal ab, nahm eine der Magazin-Kassetten von einem mittleren Brett. » Was ist das?« Er nahm noch eine Kassette herunter, dann eine dritte. Faith sah die Wählscheibe eines Safes.
    Will versuchte, den Griff zu bewegen, aber er rührte sich nicht. Er fuhr mit den Fingern am Metallrand entlang. » Er ist in die Wand einbetoniert.«
    » Wollen Sie Ihren

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