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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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bekommen, und sich jeden Morgen in die Arbeit geschleppt, damit sie die Miete bezahlen konnte, und so schließlich eine Position erreicht, in der sie ein bisschen freier atmen und es sich leisten konnte, ein Kind auf die korrekte Art in die Welt zu setzen – und noch ein bisschen mehr. Felix hatte die richtigen Klamotten, die richtigen Spielzeuge, und er ging auf eine der teuersten Schulen in der Stadt. Auch für sich selbst hatte Pauline einiges getan. Sie hatte sich die Zähne richten und die Augen lasern lassen. Jede Woche bekam sie eine Massage, jede zweite eine Gesichtsbehandlung, und in ihren Haaren gab es keine einzige Wurzel, die etwas anderes als freches Braun zeigte, dank des Mädchens, das sie alle eineinhalb Monate in Peachtree Hills besuchte. Auf gar keinen Fall würde sie irgendetwas davon aufgeben. Wirklich nicht.
    Morgan wäre gut beraten, wenn er sich daran erinnerte, wie Pauline angefangen hatte. Sie hatte als Sekretärin gearbeitet, lange bevor es telegrafische Überweisungen und Onlinebanking gab, zu einer Zeit, als man Schecks noch in einem Wandsafe aufbewahrte, bis man sie am Ende des Tages in der Bank einzahlen konnte. Nach dem letzten Büroumbau hatte Pauline ein kleineres Büro genommen, damit der Safe sich in ihrem Zimmer befand, und sie hatte nach Arbeitsschluss einen Schlosser kommen lassen, damit er die Kombination änderte und sie die Einzige war, die sie kannte. Morgan machte es wahnsinnig, dass er die Kombination nicht kannte, und es war gut, dass es so war, denn die Kopie der E-Mail, die ihr als Rückversicherung diente, lag hinter dieser Stahltür. Tagelang hatte sie sich in unzähligen Varianten ausgemalt, wie sie den Safe mit schwungvoller Geste öffnete und Morgan die E-Mail unter die Nase hielt, um ihn vor ihrem Chef und dem Kunden zu beschämen.
    » Was für ein Schlamassel«, seufzte Morgan theatralisch. » Ich kann einfach nicht glauben …«
    Pauline nahm Felix ihre Tasche ab und suchte nach ihrer Brieftasche. Er starrte sehnsüchtig die Schokoriegel an, als sie ihre Kreditkarte durch das Lesegerät zog und die üblichen Formalitäten erledigte. » Ja-ja«, sagte sie, als Morgan darüber jammerte, was für ein Mistkerl der Kunde doch sei und dass er nicht untätig zusehen würde, wie Paulines guter Name durch den Schmutz gezogen wurde. Wenn irgendjemand da gewesen wäre, der es hätte würdigen können, hätte Pauline so getan, als würde sie kotzen.
    » Komm, Baby«, sagte sie und schob Felix sanft auf die Tür zu. Sie klemmte sich das Handy ans Ohr, während sie die Tüten bei den Henkeln nahm und sich überlegte, warum sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, die Schachteln einzutüten. Plastikschachtel, Plastiktüten, die Frauen in Felix’ Schule würde wegen der Umweltbelastung das nackte Grauen packen. Pauline stapelte die Schachteln wieder aufeinander und klemmte sich die oberste unters Kinn. Die leeren Tüten warf sie in den Mülleimer, und mit ihrer freien Hand suchte sie in ihrer Handtasche nach den Autoschlüsseln, während sie durch die Automatiktür ging.
    » Das ist das absolut Schlimmste, was mir in meiner ganzen Karriere passiert ist.« Morgan stöhnte. Trotz des inzwischen steifen Halses hatte sie vergessen, dass sie noch telefonierte.
    Sie drückte auf den Knopf der Fernbedienung, um den Kofferraum des SUV zu öffnen. Die Klappe glitt mit einem leisen Seufzen auf, und sie dachte daran, wie sehr sie dieses Geräusch liebte, was für ein Luxus es war, genug Geld zu haben, um den Kofferraum nicht eigenhändig öffnen zu müssen. Das alles würde sie sich nicht nehmen lassen, nur weil ein hübsches Jüngelchen sich zu schade war, einen Aufzug auszumessen.
    » Stimmt«, sagte sie ins Handy, obwohl sie nicht so recht mitbekommen hatte, was Morgan bei Gott beteuert hatte. Sie stellte die Schachteln auf die Ladefläche und presste dann den Knopf unten an der Klappe, damit sie sich schloss. Sie saß schon im Auto, als sie merkte, dass Felix nicht bei ihr war.
    » Scheiße«, flüsterte sie und klappte das Handy zu. Wie der Blitz war sie wieder aus dem Auto und suchte den Parkplatz ab, der sich in der Zeit, die sie im Laden verbracht hatte, deutlich gefüllt hatte.
    » Felix?« Sie ging um das Auto herum, weil sie dachte, dass er sich vielleicht auf der anderen Seite versteckte. Aber er war nicht dort.
    » Felix?«, rief sie und lief zum Laden zurück. Beinahe wäre sie gegen die Automatiktür gekracht, weil sie sich nicht schnell genug öffnete. Sie fragte die

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