Sara Linton 01 - Tote Augen
Hirn die Muskeln, sodass sie keine Taste drücken konnte. Ihr Zeigefinger tippte leicht auf das H, wie bei einem nervösen Tic, und wieder trat ihr der Angstschweiß auf die Stirn. Als das Telefon klingelte, wäre sie beinahe vom Stuhl gefallen.
» Guten Morgen«, sagte Will. » Ich bin draußen, wenn Sie fertig sind.«
Faith klappte den Laptop zu. Sie sammelte ihre Telefonnotizen zusammen, stopfte sich ihre Diabetes-Utensilien in die Handtasche und ging zur Tür hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Will saß in einem zivilen, schwarzen Dogde Charger, eine ganz besondere Schönheit mit einem Schlüsselkratzer im Kotflügel über dem Hinterrad und einer langen, auf eine Sprungfeder montierten Antenne, mit der man alle Signale in einem Umkreis von hundert Meilen einfangen konnte. Sogar ein blinder Dreijähriger hätte das Fahrzeug als Bullenkarre erkannte.
Sie öffnete die Tür, und Will sagte: » Ich habe Jacquelyn Zabels Adresse in Atlanta.«
Er meinte das zweite Opfer, die Frau, die mit dem Kopf nach unten in einem Baum gehangen hatte.
Faith stieg ein und schnallte sich an. » Wie?«
» Der Sheriff von Walton Beach hat mich heute Morgen angerufen. Sie haben die Nachbarn dort befragt. Offensichtlich kam ihre Mutter erst kürzlich in ein Seniorenheim, und Jacquelyn räumte dort das Haus aus, um es zu verkaufen.«
» Wo ist das Haus?«
» Inman Park. Charlie trifft sich dort mit uns. Ich habe die Polizei von Atlanta um Unterstützung gebeten. Sie sagen, sie überlassen mir für ein paar Stunden zwei Streifenwagen.« Er stieß rückwärts in die Einfahrt zurück und schaute dabei Faith an. » Sie sehen besser aus. Haben Sie gut geschlafen?«
Faith antwortete nicht. Sie zog ihr Notizbuch heraus und ging die Liste mit den Dingen durch, die sie am Morgen per Telefon erledigt hatte. » Ich habe die Holzsplitter unter Annas Fingernägeln in unser Labor schicken lassen. Und gleich als Erstes habe ich einen Techniker ins Krankenhaus geschickt, um ihr die Fingerabdrücke abzunehmen. Ich habe eine landesweite Anfrage nach allen vermissten Frauen herausgegeben, auf die Annas Alter und Beschreibung passen – man will einen Zeichner zu ihr schicken, der ein Porträt anfertigt. Ihr Gesicht ist ziemlich übel zugerichtet. Ich weiß nicht, ob man sie auf einem Foto erkennen würde.«
Sie blätterte um und überflog ihre Notizen. » Ich habe NBIC und VICAB nach vergleichbaren Fällen durchsucht – das FBI hat nichts Vergleichbares im Archiv, ich habe trotzdem unsere Details in die Datenbank eingegeben, für den Fall, dass es doch irgendwo eine Übereinstimmung gibt.« Sie blätterte zur nächsten Seite. » Ich habe eine Überwachung von Jacquelyn Zabels Kreditkarten veranlasst, damit wir es erfahren, falls irgendjemand sie benutzt. Ich habe in der Leichenhalle angerufen, die Autopsie ist für elf Uhr angesetzt. Ich habe die Coldfields angerufen – das Ehepaar in dem Buick, von dem Anna angefahren wurde. Sie sagten, wir könnten in dem Heim, in dem Judith ehrenamtlich arbeitet, vorbeikommen, um mit ihnen zu reden, obwohl sie diesem netten Detective Galloway bereits alles gesagt hätten, was sie wissen. Und weil wir gerade von diesem Wichser reden, ich habe heute Morgen Jeremy in seinem Wohnheim aufgeweckt und ihn auf Galloways Anrufbeantworter sagen lassen, er sei vom Finanzamt und müsse wegen gewisser Unregelmäßigkeiten mit ihm reden.«
Will kicherte über den letzten Teil.
» Wir warten noch darauf, dass Rockdale uns die Tatortberichte und die Zeugenaussagen faxt. Und das wäre dann alles, was ich habe.« Faith klappte ihr Notizbuch zu. » Und, was haben Sie heute Morgen getan?«
Er nickte zu dem Getränkehalter. » Ich habe Ihnen heiße Schokolade besorgt.«
Faith starrte den Plastikbecher sehnsüchtig an und hätte liebend gerne die Schaumkrone aus geschlagener Sahne abgeleckt, die durch den Schlitz in dem Deckel quoll. Sie hatte Sara Linton belogen, was ihre Essgewohnheiten anging. Ihr letztes Jogging war ein Sprint von ihrem Auto zur Tür des Zesto’s gewesen, weil sie gehofft hatte, noch einen Milchshake zu ergattern, bevor sie schlossen. Ihr Frühstück bestand normalerweise aus einem Pop-Tart und einer Diet Coke, diesen Morgen jedoch hatte sie ein gekochtes Ei und eine Scheibe trockenen Toast gegessen, ein Frühstück, wie man es im Bezirksgefängnis bekam. Der Zucker in der heißen Schokolade würde sie wahrscheinlich umbringen, und deshalb sagte sie: » Nein danke«, bevor sie es sich anders
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