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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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jedes Jahr fast zweieinhalb Millionen Menschen. Georgia ist verantwortlich für etwa siebzigtausend davon, von denen weniger als tausend Todesfälle Morde sind. Vom Gesetz her muss jeder unbegleitete Tod – soll heißen, jeder Mensch, der außerhalb eines Krankenhauses oder Pflegeheims stirbt – untersucht werden. Kleinstädte, in denen sich nur wenige Fälle eines gewaltsamen Todes ereignen, oder Gemeinden, die so knapp bei Kasse sind, dass der örtliche Leichenbestatter die Aufgabe des Coroners übernimmt, lassen ihre Kriminalfälle meistens vom Staat bearbeiten. Die Mehrheit davon landet in der Leichenhalle von Atlanta. Das war der Grund, warum die Hälfte der Tische mit Leichen in unterschiedlichen Stadien der Autopsie belegt war.
    » Snoopy«, rief Peter einem älteren Schwarzen in Laborkluft zu. » Das ist Dr. Sara Linton. Sie wird mir im Zabel-Fall assistieren. Wo sind wir?«
    Ohne Sara zu beachten, sagte der Mann zu Pete: » Röntgenaufnahmen sind auf dem Bildschirm. Ich kann sie jetzt herausholen, wenn Sie wollen.«
    » Guter Mann.« Pete ging zum Computer und tippte auf die Tastatur. Eine Reihe von Röntgenaufnahmen erschien auf dem Monitor. » Technologie!«, rief Pete, und Sara musste einfach beeindruckt sein. Im Grant County hatte sich die Leichenhalle im Keller des Krankenhauses befunden, fast so, als wäre man erst nachträglich auf die Idee gekommen. Das Röntgengerät war für lebende Menschen ausgelegt, ganz anders als die Maschinerie hier, wo es ziemlich egal war, wie viel Strahlung man in einen Körper jagte. Die Aufnahmen waren absolut naturgetreu und wurden auf einem Flachbildmonitor betrachtet anstatt auf einem Lichtkasten, der so flackerte, dass man fast einen epileptischen Anfall bekam. Der einzelne Porzellantisch, den Sara im Grant benutzt hatte, war nichts im Vergleich zu den Reihen der Edelstahltische hinter ihr. In dem durch eine Glaswand abgetrennten Korridor neben der Leichenhalle sah sie den Coroner-Assistenten und medizinische Ermittler hin und her eilen.
    Jetzt war sie mit Pete allein, die einzigen lebenden Wesen im großen Autopsiesaal.
    » Wir hatten alle anderen Fälle weggeräumt, bevor wir ihn hereinbrachten«, sagte Pete, und im ersten Augenblick verstand Sara nicht, was er meinte.
    Er deutete auf eine leere Bahre, die letzte in der Reihe. » Hier habe ich ihn obduziert.«
    Sara starrte den leeren Tisch an und wunderte sich, dass das Bild nicht in ihrem Kopf aufblitzte, diese entsetzliche Vision des letzten Mals, als sie ihren Mann gesehen hatte. Stattdessen sah sie nur den sauberen Tisch, auf dessen matter Edelstahloberfläche das Licht der Deckenlampen schimmerte. Hier hatte Pete die Beweise gesammelt, die zu Jeffreys Mörderin geführt hatten. Hier hatte der Fall seine entscheidende Wendung genommen, hier wurde ohne den geringsten Zweifel bewiesen, wer in den Mord verwickelt war.
    Sara hatte erwartet, dass hier drinnen die Erinnerungen sie überwältigen würden, stattdessen aber spürte sie nur Ruhe und eine überzeugte Zielgerichtetheit. Hier wurde Gutes getan. Hier wurde Menschen geholfen, sogar noch im Tod. Vor allem im Tod.
    Langsam drehte sie sich wieder zu Pete um, und noch immer sah sie Jeffrey nicht, aber sie spürte ihn, als wäre er mit ihr hier in diesem Raum. Woher kam das? Wie kam es, dass nach dreieinhalb Jahren der verzweifelten Innenschau, der Suche nach einer Empfindung, die nachbildete, wie es sich anfühlte, Jeffrey bei sich zu haben, nun ihre Anwesenheit in der Leichenhalle ihn so schlagartig zu ihr zurückbrachte?
    Die meisten Polizisten hassten es, einer Autopsie beizuwohnen, und Jeffrey war da keine Ausnahme gewesen, aber er hatte seine Anwesenheit als ein Zeichen von Respekt betrachtet, als Versprechen an das Opfer, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um den Mörder zu überführen. Das war der Grund, warum er Polizist geworden war – nicht nur um den Unschuldigen zu helfen, sondern auch um die Kriminellen zu bestrafen, die ihnen auflauerten.
    Und ehrlich gesagt, das war auch der Grund, warum Sara den Posten des Coroners übernommen hatte. Jeffrey hatte vom Grant County noch nicht einmal gehört, als sie zum ersten Mal die Leichenhalle unter dem Krankenhaus betrat, ein Opfer untersuchte, mithalf, einen Fall zu lösen. Vor vielen Jahren hatte Sara am eigenen Leib erlebt, wie es war, selbst Opfer eines schrecklichen Angriffs zu werden. Bei jedem Y-Schnitt, den sie setzte, bei jeder Probe, die sie nahm, und sooft sie vor Gericht die von

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