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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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da unten sein und sich vorbereiten. Sie weiß allerdings nicht, daß die Baptistenkirche, die einzige richtige Kirche, die je im TR erbaut wurde, heute offiziell eingeweiht wird. Eine ganze Schar Einheimische sind hingegangen, Heiden ebenso wie Baptisten. Ganz leise kann sie die Methodisten von der anderen Seeseite singen hören. Der Gesang ist lieblich und leise und wunderschön; Entfernung und Echo haben jeden Mißton herausgefiltert.
    Sie bemerkt die Männer nicht - überwiegend sehr junge Männer, die unter normalen Umständen höchstens wagen, sie aus den Augenwinkeln anzusehen -, bis der älteste von ihnen den Mund aufmacht.
»Da schau her, eine schwarze Hure in weißem Kleid mit rotem Gürtel! Verdammt will ich sein, wenn das nicht ein bißchen zuviel Farbe für das Seeufer ist. Was ist los mit dir, Hure? Verstehst du einen Wink mit dem Zaunpfahl nicht?«
    Sie dreht sich zu ihnen um, hat Angst, zeigt es aber nicht. Sie lebt seit sechsunddreißig Jahren auf dieser Erde, seit sie elf ist, weiß sie, was ein Mann hat und wo er es reinstecken will, und sie weiß, wenn Männer sich wie hier zusammenrotten und voller Fusel sind (sie kann es riechen), hören sie auf zu denken und verwandeln sich in ein Rudel Hunde. Wenn du Angst zeigst, fallen sie über dich her wie Hunde und reißen dich womöglich in Stücke wie Hunde.
    Außerdem haben sie ihr aufgelauert. Eine andere Erklärung kann es nicht für ihr plötzliches Auftauchen geben.
    »Was soll das für ein Wink sein, Sugar?« fragt sie und behauptet ihre Position. Wo sind all die Leute? Wo können sie sein? Gottverdammt! Auf der anderen Seeseite haben die Methodisten ›Trust and Obey‹ angestimmt, eine Schnulze sondergleichen.
    »Daß du hier nichts zu suchen hast, wo weiße Leute spazierengehen«, sagt Harry Auster. Das letzte Wort verwandelt sein Stimmbruch in ein Mäusepiepsen, und sie lacht. Sie weiß, wie unklug das ist, aber sie kann nicht anders - sie konnte nie etwas gegen ihr Lachen tun, ebensowenig wie sie etwas dafür konnte, wie solche Männer ihre Brüste und ihren Hintern anstarren. Da war Gott dran schuld.
    »Nun, ich gehe spazieren, wo ich will«, sagt sie. »Man hat mir gesagt, dies ist öffentliches Gelände, niemand hat das Recht, es mir zu verbieten. Und das hat auch niemand getan. Oder habt ihr es jemand tun sehen?«
    »Du siehst uns jetzt«, sagt George Armbruster und versucht, wie ein Mann zu klingen.
    Sara betrachtet ihn mit einer Art von freundlicher Geringschätzung, bei der George innerlich zusammenschrumpelt. Seine Wangen glühen heiß und rot. »Mein Sohn«, sagt sie, »ihr wagt euch nur raus, weil alle anständigen Leute woanders sind. Warum wollt ihr euch von diesem alten Kerl da vorschreiben lassen, was ihr tun sollt? Benehmt euch anständig und laßt eine Dame vorbei.«
    Ich sehe alles. Während Devore immer weiter verblaßt, bis er nur noch aus Augen unter einer blauen Mütze im verregneten
Nachmittag besteht (durch ihn hindurch kann ich die Trümmer meines schwimmenden Floßes sehen, die ans Ufer gespült werden), sehe ich alles deutlich. Ich sehe, wie sie
    weitergeht, direkt auf Devore zu. Wenn sie hier stehenbleibt und mit ihnen herumschimpft, wird etwas Schlimmes passieren. Sie fühlt es, und ihre Gefühle stellt sie nie in Frage. Und wenn sie auf einen der anderen zugeht, wird der alte Massa hier von der Seite kommen und die anderen mit sich ziehen. Der alte Massa mit der kleinen, alten blauen Mütze ist der Leithund, den sie bezwingen muß. Und das kann sie. Er ist stark, stark genug, aus diesen Jungs eine Kreatur zu machen, seine Kreatur, jedenfalls vorläufig, aber er besitzt nicht ihre Entschlossenheit, ihre Energie. In gewisser Weise ist sie froh über diese Konfrontation. Reg hat sie gewarnt, sie solle vorsichtig sein, nicht zu schnell handeln oder Freundschaften schließen, bis sich die Rednecks (nur nennt Reggie sie ›die Alligatorenbullen‹) sich zu erkennen geben - wie viele und wie fanatisch sie sind -, aber sie geht ihren eigenen Weg, vertraut ihren eigenen Instinkten. Und da sind sie, nur sieben, und in Wahrheit ist nur einer ein Alligatorenbulle.
    Ich bin stärker als du, alter Massa, denkt sie und geht auf ihn zu. Sie sieht ihm direkt in die Augen und wendet sich nicht ab; er senkt den Blick, seine Mundwinkel zittern unsicher, seine Zunge schnellt wie die einer Eidechse heraus, um die Lippen zu befeuchten, und das ist alles gut … aber noch besser ist, daß er einen Schritt zurückweicht. Als er das tut,

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