Sara
ich. »Pantoffelglas wurde eigens im Königreich Grimoire hergestellt. Glatt und unzerbrechlich, solange man kein hohes C sang, während man sie trug.«
»Bekomm’ ich ein Paar?«
»Tut mir leid, Ki«, sagte ich, »niemand weiß mehr, wie man Pantoffelglas herstellt. Das ist eine verlorengegangene Kunst, wie Toledo-Stahl.« Es war heiß in dem Wohnwagen, und sie war heiß an meinem Hemd, wo ihr Oberkörper an mir ruhte, aber ich hätte es nicht anders gewollt. Es war ein schönes Gefühl, ein Kind auf dem Schoß zu haben. Draußen sang ihre Mutter und sammelte das Geschirr von dem Kartentisch ein, wo wir unser Picknick gemacht hatten. Sie singen zu hören war auch schön.
»Weiter, weiter«, sagte Kyra und zeigte auf das Bild von Cinderella, wie sie den Boden schrubbte. Das kleine Mädchen, das nervös um das Bein ihrer Mutter gelugt hatte, war verschwunden; das wütende ›Ich-geh-zum-verdammten-Strand‹-Mädchen von Samstag vormittag war verschwunden; hier war nur ein müdes Kind, das hübsch und aufgeweckt und zutraulich war. »Bevor ich es nicht mehr halten kann.«
»Mußt du Pipi?«
»Nein«, sagte sie und sah mich ungnädig an. »Außerdem heißt das Juhurinieren. Pi ist eine Zahl, das sagt Mattie immer. Außerdem war ich schon. Aber wenn du dich nicht schnell machst mit der Geschichte, schlafe ich um.«
»Man kann sich nicht mit Geschichten beeilen, in denen gezaubert wird, Ki.«
»Nun, mach so schnell wie du kannst.«
»Okay.« Ich blätterte um. Da war Cinderella, die versuchte, ein guter Kumpel zu sein und ihren blöden Schwestern zum Abschied winkte, als sie, wie Discoschnepfen aufgetakelt, zum Ball gingen. »Kaum hatte sich Cinderella von Tammy Faye und Vanna verabschiedet -«
»Sind das die Namen der Schwestern?«
»Die, die ich für sie erfunden habe, ja. Ist das okay?«
»Klar.« Sie machte es sich auf meinem Schoß bequemer und ließ den Kopf wieder an meine Brust sinken.
»Kaum hatte sich Cinderella von Tammy Faye und Vanna verabschiedet, als plötzlich ein helles Licht in der Ecke der Küche erstrahlte. Eine wunderschöne Dame in einem silbernen Kleid kam heraus. Die Juwelen in ihrem Haar funkelten wie Sterne.«
»Die gute Fee«, sagte Kyra sachlich.
»Ja.«
Mattie kam mit der verbliebenen halben Flasche Mondavi und dem geschwärzten Grillbesteck herein. Ihr Sommerkleid war hellrot. An den Füßen trug sie flache Turnschuhe, die so weiß waren, daß sie im Halbdunkel zu leuchten schienen. Das Haar hatte sie zurückgebunden, und obwohl sie noch nicht das atemberaubende Country-Club-Baby war, das ich kurz imaginiert hatte, war sie ausnehmend hübsch. Nun sah sie Kyra an, sah mich an, zog die Brauen hoch und machte mit den Armen eine Geste des Hochhebens. Ich schüttelte den Kopf, um ihr klarzumachen, daß keiner von uns beiden schon bereit war.
Ich las weiter, während Mattie sich an die Arbeit machte, das bißchen Besteck zu reinigen. Sie summte immer noch. Als sie mit dem Bratenwender fertig war, hatte sich Kis Körper auf eine Weise entspannt, die ich sofort erkannte - sie war eingedöst, und zwar heftig. Ich klappte den Goldenen Märchenhausschatz zu und legte ihn auf den Beistelltisch neben zwei weitere aufeinandergelegte Bücher - was Mattie im Moment so las, vermutete ich. Ich schaute auf, sah sie, wie sie mich von der Kochnische aus beobachtete, und machte das V-Zeichen für Sieg. »Noonan gewinnt durch technischen K. o. in der achten Runde«, sagte ich.
Mattie trocknete die Hände an einem Geschirrtuch ab und kam herüber. »Geben Sie sie mir.«
Statt dessen stand ich mit Kyra auf den Armen auf. »Ich trage sie. Wohin?«
Sie zeigte mit dem Arm in die Richtung. »Nach links.«
Ich trug das Kind den Flur hinab, der so schmal war, daß ich achtgeben mußte, nicht ihre Füße auf der einen oder ihren Kopf auf der anderen Seite anzustoßen. Am Ende des Flurs lag das blitzblank geputzte Bad. Rechts eine geschlossene Tür, vermutlich das Schlafzimmer, das sich Mattie einst mit Lance Devore geteilt hatte und in dem sie jetzt allein schlief. Wenn es einen Freund gab, der nur ab und zu in dem Wohnwagen übernachtete, hatte Mattie seine Spuren fachmännisch beseitigt.
Ich schob mich vorsichtig durch die linke Tür und betrachtete das kleine Bett mit der zerknautschten Rosendecke, den Tisch mit dem Puppenhaus darauf, das Bild der Smaragdstadt an der Wand, das Schild an der anderen (mit leuchtenden Selbstklebebuchstaben geschrieben), auf dem CASA KYRA stand. Devore wollte sie hier
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