Sarania - Das Vermächtnis der Magier (German Edition)
noch sitzen und dachte an Grisard, seinen alten Lehrmeister, den er auf dem Gewissen hatte, und in seinem Innern drohte etwas zu zerbrechen. Er hatte einen Menschen getötet, und jetzt, da er inmitten der pechschwarzen Nacht darüber nachgrübelte, kam es ihm schändlich und im Grunde auch sinnlos vor. Alles schien seinen Sinn verloren zu haben, seitdem er erfahren hatte, dass er es jemand anderem überlassen musste, Zorano zu stellen und auszuschalten. Womöglich konnte Rivania ihm ein neues Lebensgefühl vermitteln.
„Du solltest schlafen.“
Milufs Worte unterbrachen seinen Gedankenfluss , und es störte ihn, dass sein eigener Tonfall gereizt klang, als er dem Magier entgegnete: „Ich denke, dass ich alt genug bin, um zu entscheiden, wann ich Schlaf benötige und wann nicht!“
„Daran habe ich nie gezweifelt. Es sollte bloß ein gut gemeinter Ratschlag sein. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“
Sacerak k onnte sich nicht erklären, weshalb seine Gefühlslage auf einmal dermaßen ins Schwermütige umgeschwenkt war, jedenfalls hielt dieser Zustand auch am nächsten Tag an. Er aß und trank sogut wie gar nichts; wenn er sprach, dann abgehakt und kurz angebunden. Da weder Gifur noch Miluf eine verbale Auseinandersetzung erzwingen wollten, schwiegen sie ebenfalls.
Die ei ntönige Landschaft, durch die sie ritten, änderte sich kaum merklich, und die Erde stöhnte unter der wallenden Hitze, die das Land zu dieser Jahreszeit fest im Griff hatte. Belfang war seit jeher das Land gewesen, in dem extreme Schwankungen die klimatischen Verhältnisse bestimmten. Im Winter sank die Temperatur zumeist unter den Gefrierpunkt, doch jetzt während des anbrechenden Sommers herrschte am Tage für gewöhnlich eine unangenehme Schwüle vor, die sich gegen Abend nicht selten in tosenden Gewittern entlud.
Als der Tag schon weit fortgeschritten war, schafften sie es, nach einem äußerst zähen Ritt, zum Fluss Eb. Er war einer der beiden sogenannten Zwillingsflüsse, der mit seinem Schwesterstrom, der Sala, zum großen Rûn zusammenfloss, welcher ins Meer mündete.
Der Eb wurde noch weitaus schärfer bewacht als der Ra, und die Übergänge strenger kontrolliert, immerhin befand sich in geraumer Entfernung die Hauptstadt des Landes. Zudem herrschte Krieg, was es umso notwendiger machte, jeden, den es nach Rivania zog, genauestens zu untersuchen, eine bisweilen sehr zeitaufwendige Mühsal.
„Nimm deine dreckigen Finger weg!“, herrschte Sacer ak einen Offizier an, dessen Kettenhemd vor Furcht zu rasseln schien, als der Magier ihn mit einem tödlichen Blick strafte, weil der Mann es gewagt hatte, seine Taschen zu durchkämmen, und dabei den magischen Stab berührt hatte.
Nachdem Miluf sich für das grobe Benehmen seines Gefährten entschuldigt hatte, und sich die Wachen von ihren redlichen und lauteren Absichten überzeugt hatten, setzten sie ihren Weg fort, wobei Sacerak die ganze Zeit über schwieg und immer wieder missgelaunt hin und her schaute.
Erst, als einige Meilen entfernt eine riesige Stadt hervorstach, wurde er umgänglicher, und je näher sie den schemenhaften Umrissen kamen, desto mehr wuchs sein Erstaunen, was Gifur und vor allem Miluf nicht verborgen blieb.
„Du siehst überrascht aus, junger Zauberer. Aber falls es dich beruhigt: Mir erging es beim ersten Mal nicht anders. Das ist die Faszination, die Rivania auf jeden Neuankömmling ausübt!“
Während sie näher und näher an die Stadt heranritten, verflog Saceraks Trübsinn schlagartig, und wich der Bewunderung. Er war viel herumgekommen in Sarania, hatte jedes der vier Länder bereist, und zahlreiche Städte besucht, aber Rivania überstrahlte die Erinnerung an alles bisher Dagewesene. Schon von weitem beobachtete er riesenhafte Wachtürme, kreisrund, die den gesamten Schutzwall der Stadt unantastbar erscheinen ließen. Die Stadtmauer hatte einen dunklen Grauton, sie wirkte weitaus düsterer als jene in Alanur, und doch versprühte sie einen ganz eigenen, unnatürlichen Glanz, den Sacerak in dieser Form noch nirgendwo anders wahrgenommen hatte.
Der Magier bemerkte, dass auch Gifur angesichts einer solchen Erscheinung die Augen aufriss.
Zwerge zählten zu den Großmeistern unterirdischer Architektur; was jedoch die Bauwerke über der Erde betraf, so zeichneten sich dafür größtenteils die Menschen verantwortlich. „Seht da!“ Gifur deutete in die Höhe. Sacerak folgte dem Wink. Er verstand auf Anhieb, was den Zwerg zu dem enthusiastischen
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