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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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stehen, öffnete und enthüllte uns die größte Ansammlung von Dokumenten, die ich je gesehen hatte. Sie waren in dem abgedunkelten Raum zu solchen Haufen und Stapeln aufgetürmt, dass die Möbel dazwischen zwergenhaft wirkten. Angesichts der apokalyptischen Aura des Büros stockte mir fast der Fuß in den polierten neuen Schuhen. Ein Mann mit strengemGesicht und kurzem grauem Bart stand hinter aufgeschichteten Papieren, die in etwa der Form eines Schreibtischs zu folgen schienen, und hinter ihm starrten drei Männer, die einander erstaunlich ähnlich sahen, wie stämmige, bärtige Geier von ihren Porträts herab. Auf dem Schreibtisch stand eine Schale mit Pfefferminzbonbons.
    »Nun stehen Sie nicht herum!«, blaffte Mister Gaddie. »Kommen Sie herein! Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit für Sie.«
    »Vielleicht sollten wir einfach wieder gehen«, murmelte John verunsichert, doch ich schritt in den Raum hinein und reichte dem Mann die Hand.
    »Mister Gaddie, sehr erfreut«, sagte ich. In Bath hatte ich für den anderen Mister Gaddie gearbeitet, und dies war tatsächlich der Bruder, dem ich nie begegnet war. Noch wichtiger war die Tatsache, dass er mich ebenfalls nicht kannte.
    »Sie kommen bestimmt von der Leichenhalle«, antwortete er knapp. »Setzen Sie sich.«
    »Ich fürchte, ich …«
    »Schreckliche Sache, das mit Oliver«, fuhr Mister Gaddie fort.
    »Gar nicht so schrecklich«, warf John ein. »Ich würde mich über den Tod meines Onkels freuen.«.
    »War Oliver denn Ihr Onkel?«, fragte Mister Gaddie streng, da wir seinen Gedankengang unterbrochen hatten und er möglichst schnell wieder zu ihm zurückkehren wollte.
    »Nein«, antwortete John mit gerunzelter Stirn, »aber mein Onkel hält mein Erbe fest, was mich in eine ähnliche Lage versetzt wie meinen Freund Oliver …«
    »Genau über dieses Erbe wünsche ich zu sprechen«, sagte ich, doch Gaddie unterbrach mich abermals.
    »Gut, gut«, bellte er. »Das Erbe. Neunzigtausend Pfund?«
    »Neunzigtausend?«, staunte John.
    »Gibt es damit irgendwelche Schwierigkeiten, Mister Keats?«, fragte ich gereizt.
    »Neunzigtausend Pfund erweisen sich selten als Schwierigkeiten«, antwortete er.
    »Sie waren für Oliver Beard bestimmt«, fuhr Mister Gaddie fort, »aber nun wird er keinen Penny erhalten.«
    »Warum denn nicht?«, fragte ich besorgt.
    »Weil er tot ist, darum«, erklärte Mister Gaddie. »Sie sind doch deshalb hier, oder?«
    »Ich …« Mir fiel nichts mehr ein. »Tot?«
    »Seine Schwester überbrachte uns heute Morgen die Nachricht«, fuhr der Bankier fort. »Sie hatte einen Totenschein dabei, den der Leichenbeschauer persönlich ausgefüllt hatte. Nun ist sie die letzte Überlebende der Beards, wie ich befürchte. Morgen früh um diese Zeit werden alle Dokumente unterzeichnet sein, und das Geld gehört ihr. Ich habe sie nicht selbst empfangen, doch Mister Plumb versicherte mir, die Papiere seien völlig in Ordnung.«
    »Habe ich denn eine Schwester?«, rief ich.
    »Offensichtlich hat Mister Beard tatsächlich eine Schwester«, erklärte mir John.
    »Natürlich«, bekräftigte Mister Gaddie. »Wenn ich mich recht entsinne, starb Oliver in Bath an der Schwindsucht oder einer ähnlichen Erkrankung. Mister Plumb erzählte mir, das Mädchen sei völlig niedergeschlagen, nachdem sie so plötzlich ihre beiden einzigen lebenden Anverwandten verloren hat. Sie bemerkte, wenn ihrBruder nur wieder dem Grab entsteigen könnte, so wäre sie das glücklichste Mädchen auf der Welt.«
    »Tja«, murmelte ich, »die wird sich wundern.« Es musste Gwen sein. Kein Mensch wusste sonst von meinem Plan, und niemand außer ihr hätte so schnell gehandelt und alles zum eigenen Vorteil gewendet. Unter den gegebenen Umständen sah ich mich gezwungen, meine Rolle als Oliver Beard sofort aufzugeben.
    »Nun«, sagte Mister Gaddie, »haben wir genug geplaudert? Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Haben Sie Neuigkeiten vom Bestattungsunternehmen?«
    »Ja«, sagte ich rasch. »Ich komme vom Bestattungsunternehmen.«
    »Das weiß ich bereits«, erwiderte Mister Gaddie. »Das sagte ich doch schon.«
    »Ich bestätige es nur, um weitere Verwirrung zu vermeiden«, wandte ich ein.
    »Ich kann Ihnen versichern, dass es meinerseits keinerlei Verwirrung gibt«, erklärte mir Mister Gaddie, »da ich dies bereits dreimal bekräftigt habe.«
    »Ich mache mir nicht Ihretwegen Sorgen«, sagte ich mit einem Seitenblick auf John. »Da ich aber nun vom Beerdigungsinstitut komme …«
    »Ich

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